Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

284 WILHELM KauL: Kirchenrecht. 
ist durch kirchliche Qualifikation im Geiste evangelischer Freiheit bedingt. 
Das Verhältnis beider Organe zum geistlichen Amt bestimmt sich durch 
den Grundsatz, daß das Pfarramt den ordnungsmäßigen Mittelpunkt aller 
kirchlichen Tätigkeit in der Gemeinde bildet. Daraus ergibt sich einerseits, 
daß die Ortsgeistlichen selbst notwendige Mitglieder aller Gemeindekörper- 
schaften sind, anderseits, daß grundsätzlich der Pfarrer in seiner spezifisch 
geistlichen Amtstätigkeit von den Gemeindeorganen unabhängig bleibt. Die 
organisierte Ortsgemeinde bildet die Grundlage für die nach oben in den 
Synoden. Synoden sich fortsetzende und abschließende repräsentative Gliederung der 
Kirche. Unentbehrliche Stufen dieser aus Laien und Geistlichen zusammen- 
gesetzten evangelischen Synoden bilden die Kreis- oder Diözesan- und die 
Landes- oder Generalsynoden. In Preußen schieben sich nach den besonderen 
geschichtlichen Bedingungen der Landeskirche noch die Provinzialsynoden ein. 
Naturgemäß bilden die Gemeindeorgane die Wahlkörper für die unteren und 
diese hinwiederum solche für die oberen synodalen Stufen, woneben grund- 
sätzlich für die Landessynoden auch die Vertretung der evangelisch-theo- 
logischen Wissenschaft zu fordern ist. Mit Unrecht wird jenes Wahlverfahren 
als sog. „Filtriersystem‘‘ getadelt. Gegenteilig kann es allein dem Geist des 
Kirchenwesens entsprechend sein, welchem jede demagogische Massenwirt- 
schaft widerstrebt. Nur dafür ist gewissenhaft Sorge zu tragen, daß auf allen 
synodalen Stufen auch die Minoritäten entsprechende Vertretung finden. 
Hierfür einen entsprechenden kirchlichen Wahlmodus aufzustellen, bleibt 
noch eine verantwortungsvolle Aufgabe der Kirchengesetzgebung. Als maß- 
gebendes Prinzip für die Zuständigkeitsverteilung ist anzusehen, daß die 
Kreissynoden vorwiegend als Körper der kirchlichen Selbstverwaltung der 
Kreisgemeinden, die Provinzialsynoden zur Bewahrung der provinziellen 
Eigenart innerhalb der landeskirchlichen Einheit, die Generalsynoden dagegen 
als Organe der Oberaufsicht über alle Tätigkeiten der kirchlichen Verwaltung, 
als Faktoren der landeskirchlichen Gesetzgebung und als Vertretungskörper 
der Landeskirchen nach außen berufen sind. 
Landesherrliches Ihre Spitze findet, nicht mit prinzipieller Begründung, sondern lediglich 
irchenregiment: Kraft geschichtlicher Entwickelung, die evangelische Kirchenverfassung in den 
Landeskirchen der deutsch-monarchischen Staaten im landesherrlichen 
Kirchenregiment (Jus in sacra). Erwerb und Verlust der landesherrlichen 
Kirchengewalt vollziehen sich unterschiedlos nach den Regeln über Erwerb 
und Verlust der Staatsgewalt. Insbesondere kann hiernach die Konfession des 
Landesherrn einen Unterschied für den Besitz der Kirchengewalt nicht be- 
gründen. Immerhin ist die ältere rein territorialistische Auffassungsweise ver- 
lassen. Dies tritt darin hervor, daß in Landeskirchen unter katholischem 
Landesherrn die Ausübung der dem Träger des Kirchenregiments persönlich 
vorbehaltenen Rechte (Jura in sacra reservata) besonderen kirchlichen Instanzen 
zu relativ selbständiger Wahrnehmung übertragen ist; so in Bayern und Sachsen, 
und für die Zukunft in Württemberg. Der im angeblichen Namen der kirch- 
lichen Freiheit gelegentlich noch immer versteckt oder offen gegen das landes-
	        
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