II. Kirchenregierung. 285
herrliche Kirchenregiment geführte Kampf verrät einen Mangel an Verständnis
für das geistliche Wesen der evangelischen Kirche und die Realität der geschicht
lichen Erfahrungstatsachen. Jenes tritt wahrhaft nicht in dem Streben nach
rechtlicher Macht und Unabhängigkeit in die Erscheinung. Diese haben das
landesherrliche Kirchenregiment als Mittel zur Erhaltung der evangelischen
Volkskirche erkennen und schätzen gelehrt. (S. auch u. V unter ‚Trennung
von Staat und Kirche‘‘). Unter dem Landesherrn wird die kirchliche Ver-
waltung von den in den größeren Landeskirchen hierarchisch abgestuften
kollegialen Kirchenregimentsbehörden geführt. Sie sind aus Geist- Kirchen-
lichen und kirchlich bewährten Laien zusammengesetzt. Nicht selten ertönt Tee
der Ruf: hinaus mit den ‚,Juristen‘‘ aus den Konsistorien, aus der Regierung
der Kirche. Erfahrene Leute sagen, daß ein ausschließlich von Geistlichen
gehandhabtes Kirchenregiment noch viel juristischer, bureaukratischer und
päpstlicher sich gestalten würde. Zu den geistlichen Mitgliedern der Kon-
sistorien gehören vielfach Generalsuperintendenten. Der ihrem Amt zu-
grunde liegende Gedanke ist nicht irgendwie eine Analogie mit dem Bischoftum,
sondern vielmehr der, daß durch sie die kollegiale Tätigkeit der Kirchen-
regimentsbehörden eine Ergänzung finde überall da, wo es auf das Einsetzen
der Persönlichkeit, mit dem Bewußtsein und dem Einfluß der persönlichen
Verantwortlichkeit ankommt. In Preußen sind im Gebiet der Landeskirche
der neun älteren Provinzen die Provinzialkonsistorien dem Evangelischen
Oberkirchenrat, in den neueren Provinzen die Konsistorien dem Kultusminister
unterstellt. Den Abschluß im Organismus des landesherrlichen Kirchenregiments
bilden endlich die einem kirchlichen Kreise (Diözese) vorgesetzten, bald kirchen-
regimentlich ernannten, bald synodal gewählten Superintendenten (Dekane),
welchen in der Regel neben der Führung des Pfarramts bestimmte jurisdik-
tionelle Funktionen vorbehalten sind. Die organische Verbindung von Kirchen-
regiment und Synoden wird durch die neueren Verfassungsgesetze in der Art
hergestellt, daß auf allen Stufen die Synodalvorstände für wichtige Fragen
der Kirchenregierung zu einheitlichen Kollegien mit den Kirchenregiments-
behörden verbunden sind.
Il. Kirchenregierung. Die im Gebiete des Rechtes spezifisch hervor- Kirchen-
tretenden Funktionen der Kirchenregierung sind die Vermögensverwaltung, die "“T""®
Ämterbesetzung und die Aufrechterhaltung der Kirchenordnung.
I. Unter ihnen ist die Vermögensverwaltung die äußerlichste Vermögens-
Funktion. Zugleich diejenige, an welcher prinzipielle Gegensätze der Kirchen “"®
sich am wenigsten entwickelt haben. Hat doch auch die katholische Kirche die
Mitwirkung des Laienelements hier unbedenklich eingeräumt. Die Kirchen
bedürfen der wirtschaftlichen Güter zur Deckung ihrer Real- und Personal-
exigenz. Als Vermögensrechtssubjekte treten sie zunächst notwendig unter
die Privatrechtsordnung des Staates. Sie unterliegen hier hinsichtlich der
Bedingungen, der Formen und des Maßes des Vermögenserwerbs (Amorti-
sationsgesetze) den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Aber es ergeben