V. Kirchen und Staat. 313
in Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen und anderwärts. In Preußen
wurde es schon durch die Verfassung von 1850 beseitigt. Grundsätzlich ist
diese veraltete Maßregel der Staatsaufsicht nicht zu billigen. Sie hält sich
unvermeidlich nicht von Eingriffen in innere Angelegenheiten der Kirchen
zurück und ist außerdem völlig wirkungslos. Andere Formen präventiver
Staatsaufsicht, welche sich lediglich geschichtlich erklären, wie z. B. Be-
schränkungen des amtlichen Verkehrs zwischen Papst und Bischöfen, sind
allgemein längst beseitigt. Als Mittel der Repression hat sich unter dem be-
sonderen Gesichtspunkte der Kirchenhoheit die sog. Temporaliensperre,
d. h. die Einbehaltung der aus staatlicher Quelle fließenden Amtseinkünfte
von Kirchendienern, sei es bei Verweigerung des staatlichen Gehorsams im
allgemeinen, sei es zur Erzwingung einer einzelnen Maßregel erhalten. Der
Vorbehalt dieses Mittels der Staatsaufsicht ist prinzipiell gerechtfertigt und
für äußerste Fälle unentbehrlich. Für seine Anwendbarkeit ist die rechtliche
Natur der zu sperrenden Amtseinkünfte entscheidend. Beruhen solche auf
privatrechtlichem Titel, so kann die Temporaliensperre nur auf Grund be-
sonderer gesetzlicher Ermächtigung anwendbar sein. So in Bayern. Be-
ruhen dagegen die Amtseinkünfte auf öffentlich-rechtlichem Titel, so ist die
Verhängung der Temporaliensperre auf administrativem Wege zulässig.
So die Rechtslage in Preußen für diejenigen Staatsleistungen an die katho-
lische Kirche, welche auf der Circumscriptionsbulle De salute animarum be-
ruhen.
Die dritte Äußerung der Kirchenhoheit bildet der Schutz der Kirchen
durch den Staat. Dieses Schutzrecht ist, nach Ablösung des Jus Advocatiae
von seinen im Mittelalter gelegenen geschichtlichen Wurzeln, gegenwärtig als
Inbegriff derjenigen staatlichen Tätigkeiten zu verstehen, in welchen der Staat
durch positive Förderung des Kirchenwesens sein Anerkenntnis von dem
Werte desselben für Volksleben und Volkswohl zum Ausdruck bringt. Auch die
Ausübung der Advokatie steht, genau wie ihre beidenkoordinierten Erscheinungs-
formen der Kirchenhoheit, ausschließlich unter dem Gesichtspunkt eines staat-
lichen Rechts. Denn ihren Inhalt bildet die ausschließliche Berechtigung des
Staates, Mittel und Grenzen des Kirchenschutzes nach freiem Ermessen zu
bestimmen. Die einzelnen Äußerungen dieses Schutzrechts sind gegenwärtig
auf sehr verschiedenen Gebieten der Beziehungen zwischen Staat und Kirche
gelegen. Es lassen sich vier Grundrichtungen unterscheiden. Die Advokatie
äußert sich zuerst in dem Verhältnis der Kirchenverfassung zur staatlichen
Rechtsordnung. Jene ist Bestandteil des öffentlichen Rechts. Die Kirchen-
ämter als solche, d. h. sowohl die Ämter des Kirchenregiments, als das Pfarr-
amt sind öffentliche Ämter und es fallen diese, sowie die Selbstverwaltungs-
organe der Kirchengemeinden unter den technischen Begriff der Behörde. Dies
ist, wie im öffentlichen Rechtsverkehr, so in der strafrechtlichen Praxis all-
gemein anerkannt. Die Advokatie äußert sich ferner in der Gewährung unmittel-
barer Staatshilfe. Dies wiederum in doppelter Weise. Zunächst durch Ver-
mögenszuwendungen des Staates. Diese sind teils fortdauernde, d. h. in
Temporalien-
sperte.
Schutzrecht.