Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

A. Reich und Einzelstaat. II. Verhältnis der beiden Staatsgewalten zueinander. 335 
gesetze befolgen und richtig zur Durchführung bringen, weil ohne diese Befugnis 
die Geltung der Reichsgesetze wenig gesichert wäre. Art. 4 der RV. legt daher 
dem Reich das Recht der Kontrolle in demselben Umfang bei wie das Recht 
der Gesetzgebung und Art. 17 betraut den Kaiser mit der Überwachung der 
Ausführung der Reichsgesetze. Da ferner die Behörden und Beamten, welchen 
die Handhabung der Reichsgesetze und die Verwaltung obliegt, in keinem Dienst- 
verhältnis zum Reich, sondern nur zu ihrer Landesregierung stehen, so ist auch 
diese allein berechtigt, ihnen Dienstanweisungen und Vorschriften für die von 
ihnen zu führende Verwaltung zu erteilen. Der Kaiser, welcher nicht der Dienst- 
herr der Landesbeamten ist, oder in seiner Vertretung der Reichskanzler, kann 
dazu nicht befugt sein. Dadurch entsteht aber die Gefahr, daß die Einheit der 
Gesetzgebung wieder aufgelöst wird durch die Verschiedenheit der Dienstan- 
weisungen für die Verwaltung dieser Geschäfte. Aus diesem Grunde hat die RV. 
in Art. 7 dem Bundesrat die Befugnis beigelegt, über die zur Ausführung der 
Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen (d.h. für alle Staaten geltenden) 
Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen Beschluß zu fassen, sofern nicht 
durch Reichsgesetz etwas anderes bestimmt ist. 
Das durch die vorstehenden Sätze skizzierte Verhältnis der Gliedstaaten 
zum Reich, welches eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem Verhältnis der 
Selbstverwaltungskörper zum Staat hat, ist das regelmäßige. Die Verfassung 
des Reiches ist nun aber dadurch, daß von diesem Verhältnis nach beiden 
Richtungen hin Abweichungen bestehen, dem Anschein nach etwas prinziplos 
oder inkonsequent. In Wahrheit ist dies nur die Folge davon, daß die Be- 
stimmungen der Verfassung nicht nach einer theoretischen Schablone, sondern 
nach dem praktischen Bedürfnis getroffen worden sind. 
Soweit nämlich die Gesetzgebungsbefugnis des Reiches ausgeschlossen ist 
oder das Reich von ihr keinen Gebrauch gemacht hat, ist dieselbe den Einzel- 
staaten verblieben und demgemäß unterliegen sie auch hinsichtlich der richtigen 
Handhabung dieser Gesetze nicht der Beaufsichtigung des Reiches. Jedoch 
ist ihnen auch hier die Schranke gezogen, daß sie nicht in die Zuständigkeit 
des Reiches übergreifen oder die reichsgesetzlichen Vorschriften verletzen dürfen. 
Anderseits gibt es einige Zweige der Staatstätigkeit, welche dem Reich 
vollständig überwiesen sind, so daß die Verwaltung nicht von den Einzelstaaten, 
sondern von eigenen Behörden des Reiches geführt wird. Dies ist der Fall hin- 
sichtlich der Marine, des Konsulatswesens, der oberen Post- und Telegraphen- 
verwaltung, sowie des Patentwesens. Dazu kommen diejenigen Verwaltungen, 
welche ihrem Wesen nach unmittelbar das Reich betreffen, insbesondere die 
auswärtigen Angelegenheiten und die Reichsfinanzen mit Einschluß der Reichs- 
bank. 
Endlich hat die Reichsgesetzgebung bei ihrer fortschreitenden Entwickelung 
für eine Reihe von Materien die Rechtsprechung in oberster Instanz oder die 
Zentralleitung der Verwaltung Reichsbehörden übertragen. Zu diesen Behörden 
gehören das Reichsgericht, das Reichsmilitärgericht, das Oberseeamt, das 
Reichsversicherungsamt, das Bundesamt für das Heimatwesen, die Normal- 
Abweichungen 
von dem 
normalen Ver- 
hältnis.
	        
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