Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Mitgliedschafts- 
rechte und 
-pflichten. 
336 PAuL LABAND: Staatsrecht. 
eichungskommission, das Reichsgesundheitsamt, das Aufsichtsamt für die 
Privatversicherungen das Patentamt u. a. 
Ist hiernach das Verhältnis der Einzelstaaten zum Reich ein recht ver- 
wickeltes und nur für jeden einzelnen Zweig der staatlichen Tätigkeit genauer 
zu bestimmen, so kommt noch hinzu, daß den süddeutschen Staaten verfassungs- 
mäßig Sonderrechte bewilligt wurden; namentlich Bayern und Württemberg 
hinsichtlich der Post- und Telegraphenverwaltung, Württemberg und in viel 
größerern Maße Bayern hinsichtlich des Militärwesens, Bayern, Württemberg 
und Baden hinsichtlich der Bierbesteuerung usw. Diese Sonderrechte oder 
Reservatrechte, welche namentlich für Bayern vielfache Exemtionen von der 
Zuständigkeit des Reiches begründen, sind jura singulorum und können nur 
mit Zustimmung des berechtigten Staates aufgehoben oder abgeändert werden. 
Abgesehen von diesen Sonderrechten gilt für alle Gliedstaaten das Prinzip 
der Gleichheit; sie haben gleichmäßig Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge 
des Reiches für sich und ihre Untertanen, und sie tragen nach Verhältnis ihrer 
Größe und Einwohnerzahl nach gleichem Maßstab zu den Kosten und Lasten 
des Reiches bei. Sie sind in ihrer Gesamtheit die Träger der Reichsstaatsgewalt 
und haben durch ihren Anteil an derselben wieder gewonnen, was sie durch die 
Beschränkung ihrer Staatsgewalt eingebüßt haben. Sie sind anderseits gleich- 
mäßig zur Befolgung und Durchführung der Reichsgesetze und zur Erfüllung 
ihrer verfassungsmäßigen Obliegenheiten verpflichtet und können im Wei- 
gerungsfalle vom Reich zwangsweise dazu angehalten werden (sog. Reichs- 
exekution. RV. Art. 19). Vor allem aber bietet die Zugehörigkeit zum Reich 
den Einzelstaaten die Garantie ihrer Existenz und Integrität. Denn das Reich 
ist gegründet ‚zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben 
gültigen Rechtes‘; es schließt jede Gewalttat und jeden Friedensbruch unter 
seinen Gliedern aus; es wehrt mit der imposanten Macht der Gesamtheit jeden 
Angriff auf das Bundesgebiet ab. Das Reich selbst kann zwar — wie erwähnt — 
seine Zuständigkeit ausdehnen und die der Gliedstaaten dadurch einschränken; 
aber es kann nicht willkürlich einzelnen Staaten ohne ihre Zustimmung 
Hoheitsrechte entziehen oder sie gänzlich unterdrücken. 
III. Das Gebiet des Reiches. Aus dem Mitgliederbestand des Reiches 
ergibt sich zugleich der Umfang seines Gebietes (RV. Art. I). Jeder Staat 
gehört mit seinem ganzen Gebiet zum Reich; die sonderbare und unpraktische 
Bestimmung der Bundesakte von 1815, daß manche Staaten nur mit einem Teil 
ihres Gebietes dem Bunde angehörten, ist in der RV. ausgemerzt. Daß vom 
Großherzogtum Hessen nur der Teil nördlich des Maines zum Norddeutschen 
Bunde gehörte, war eine durch den Prager Frieden, also durch Rücksichten der 
auswärtigen Politik notwendig gewordene Anomalie, welche zwar formell durch- 
geführt wurde, in Wirklichkeit aber fast gar keine andere Bedeutung hatte, als 
daß Hessen eine geringere Zahl von Stimmen im Bundesrat und von Abgeord- 
neten im Reichstag hatte und daß die Bundesgesetze für Südhessen durch Landes- 
gesetz besonders eingeführt werden mußten. Ebenso gibt es nach der RV. aber
	        
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