Ihr Verlust.
Kritik des
Gesetzes.
338 PAUL LABAND: Staatarecht.
jemand, der dem Staate bisher nicht angehört hat, im Staatsdienst oder im
Kirchen-, Schul- oder Kommunaldienst angestellt wird und für diese Anstellung
eine, von der Regierung oder von einer Zentral- oder höheren Verwaltungs-
behörde eines Bundesstaates vollzogene sog. Bestallung erhält, so gilt eine solche
Urkunde zugleich als Aufnahme- oder Naturalisationsurkunde, wenn nicht das
Gegenteil in ihr selbst ausgedrückt wird. Der Verlust der Staatsangehörigkeit
tritt ein durch die entsprechenden familienrechtlichen Akte (Legitimation, Ver-
heiratung); ferner durch Entlassung, welche zum Zweck der Überwanderung
in einen anderen Gliedstaat des Reiches nicht verweigert werden darf, zum
Zweck der Auswanderung in das Ausland dagegen solchen Personen, welche
sich ihrer Militärpflicht entziehen wollen, nicht erteilt werden darf. Sodann
geht die Staatsangehörigkeit verloren, wenn ein Deutscher sich zehn Jahre lang
ununterbrochen im Auslande aufhält — die Schutzgebiete gelten in dieser Be-
ziehung als Inland —, ohne sich in die Matrikel seines Reichskonsuls eintragen
zu lassen. Kehrt der Deutsche aber nach Verlust der Reichsangehörigkeit in
das Bundesgebiet zurück, so muß ihm von dem Staate, in dessen Gebiet er sich
niederläßt, die Aufnahme erteilt werden; auch ist der frühere Heimatsstaat
dazu befugt, auch ohne daß sein ehemaliger Angehöriger sich in seinem Gebiet
niederläßt, wenn dieser keine andere Staatsangehörigkeit erworben hat. (Ges.
& 21.) Endlich kann durch einseitigen Rechtsakt der Staatsregierung die Staats-
angehörigkeit entzogen werden Deutschen, welche im Falle eines Krieges oder
einer Kriegsgefahr einer kaiserlichen Rückkehrorder nicht Folge leisten oder
welche der Aufforderung der Regierung ihres Heimatstaates zum Austritt aus
einem fremden (d. h. außerdeutschen) Staatsdienste nicht gehorchen. (Ges. $ 20.)
Das dem Gesetz zugrunde liegende Abstammungsprinzip hat innerhalb
des Reichsgebietes sehr eigentümliche und bedenkliche Folgen. Die Staats-
angehörigkeit vererbt sich von Generation zu Generation in alle Ewigkeit;
weder der Wohnsitz noch der Ort der Geburt sind in dieser Hinsicht von irgend-
einer Bedeutung. Durch noch so langen Aufenthalt in dem Gebiet anderer
Bundesstaaten geht die ererbte Staatsangehörigkeit nicht verloren und wird
eine neue Staatsangehörigkeit nicht erworben. Die Folge hiervon muß sein,
daß bei der im Reichsgebiet bestehenden Freizügigkeit in dem Gebiet jedes
Staates zahlreiche Angehörige anderer Bundesstaaten wohnen und dafür zahl-
reiche Angehörige des eigenen Staates in den Gebieten der anderen Bundes-
staaten verstreut sind, und daß es immer schwieriger, ja mit der Zeit ganz un-
möglich wird, die Staatsangehörigkeit der einzelnen Personen festzustellen.
In der Regel kann weder der einzelne über.seine Staatsangehörigkeit Auskunft
geben, noch sind die Behörden im Besitz des urkundlichen Materials, welches
zur sicheren Feststellung der Staatsangehörigkeit der in ihrem Bereich vorhan-
denen Personen erforderlich ist. Da ferner durch Aufnahme oder Anstellung
im Staatsdienst die bisherige Staatsangehörigkeit nicht verloren wird, sondern
die neue hinzu erworben wird, so kann ein Deutscher gleichzeitig mehreren
Bundesstaaten angehören und alle diese Staatsangehörigkeiten auf seine agna-
tische Deszendenz in alle Ewigkeit vererben, und es können bei seinen Nach-