Zugehörigkeit
des Rechtes zum
Reich der
Zwecke.
Spinoza.
16 RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft.
Recht einteilen. In der Tat geschieht dieses letztere ja auch unaufhörlich.
Nicht leicht wird jemand, der ein bestimmtes rechtliches Wollen betrachtet
Jurist oder Laie, darauf verzichten, dieses besondere Recht einem kritischen
Urteile auf eine sachliche Berechtigung hin zu unterwerfen. Sonach lautet
unser Problem: Was heißt es eigentlich, ein Gesetz, eine Vertragsforderung
oder ein anderes rechtliches Wollen für sachlich begründet oder unbegründet
zu erklären?
Die gestellte Aufgabe besteht hierbei darin, uns über die Gedanken, die
wir bei allen ‚„rechtlichen‘‘ Vorstellungen und dann in den erwähnten kritisch
„Tichtenden‘‘ Urteilen wirklich hegen, durch methodische Selbstbesinnung auf-
zuklären. Es sind jetzt nicht neue Rechtssätze zu erfinden, es ist nicht der Stoff
rechtlichen Wollens und Anordnens von uns aus zu mehren. Es kommt viel-
mehr darauf an, die reinen Formen des rechtlichen Denkens und Urteilens
sich klar zu machen. Das erste geschieht, wenn man einsieht, was unter ‚‚ju-
ristischem Denken‘ eigentlich zu verstehen ist; hier sind, im Sinne einer all-
gemeinen juristischen Logik, die bleibenden Gedankengänge klar zu legen, die
wir unvermeidlich — wenngleich oft unbewußt — einschlagen, sobald von
„rechtlichem‘‘ Wollen die Rede ist. Das zweite liegt vor, wenn wir das un-
bedingt allgemeine Verfahren aufweisen, das in unseren Gedanken not-
wendig waltet, sobald wir über Recht und soziales Leben kritische Betrachtung
pflegen. So lassen wir nun den besonderen Stoff der geschichtlichen Rechts-
ordnungen hinter uns und befassen uns in eigener und abgegrenzter Arbeit
mit der methodischen Form, diese selben Ordnungen allgemeingültig zu
begreifen und einheitlich zu bestimmen und zu richten.
C. Der Begriff des Rechtes.
I. Das Wollen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die recht-
liche Ordnung ein Mittel zur Erreichung von Zwecken ist. Der unterschei-
dende systematische Gesichtspunkt für alles Recht vermag daher auch nur
eine Einheit der Zweckbetrachtung zu sein. Wer sich vorläufig auf die Frage
nach der Entstehung rechtlichen Wollens beschränkt, hat doch nur nach der
Genesis gewisser Mittel und Zwecke gefragt.
Diese Zuteilung des Rechtes zu dem Reiche der Zwecke bricht sich schließ-
lich in notwendiger Stärke überall Bahn, auch bei solchen, die es zunächst nicht
Wort haben wollen. So schon bei der kritischen Prüfung der materialistischen
Geschichtsauffassung (A. 3); und in besonders bemerkenswerter Weise vordem
bei Spinoza, der bekanntlich alle Dinge nur als bestimmte Arten einer einzigen
naturgesetzlichen Einheit, der ‚Substanz‘, erfassen und bestimmen wollte.
Auch der Mensch sei nur ein Modus der einigen, allumfassenden Substanz; und
Zwecke kommen nur als Eigenschaften des Menschen insofern zur Erwägung,
als dieser ein Gegenstand der Naturbetrachtung ist. So nahm jener Philosoph
„Naturrecht‘‘ im Sinne von ‚Naturgesetz‘‘: Es sind die Regeln, die ein jedes
Wesen (auch „die großen Fische‘‘) zur Äußerung seiner Eigenart in Sein und
Wirken bestimmen; alles geht in dem einheitlichen Flusse des naturgesetzlichen