A. Reich und Einzelstaat. VI. Die Schutzgebiete. 341
Landesgesetzgebung und die subsidiäre Zuständigkeit des Reichstags wurden
aufgehoben und Elsaß-Lothringen hat drei Stimmen im Bundesrat erhalten.
Die Bevollmächtigten zum Bundesrat werden vom Statthalter ernannt und
instruiert, die elsaß-lothringischen Stimmen werden aber nicht gezählt, wenn die
Präsidialstimme nur durch den Hinzutritt dieser Stimmen die Mehrheit oder
den Stichentscheid erlangen würde oder wenn durch sie die Zahl von 14 Stimmen
denen im Bundesrat ein Veto gegen Verfassungsänderungen zusteht, erreicht
würde. An die Stelle des Landesausschusses ist ein aus zwei Kammern be-
stehender Landtag getreten; die zweite Kammer geht aus allgemeinen und
direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor; die Wahlperiode beträgt
fünf Jahre. Trotz diesen Bestimmungen, durch welche äußerlich Elsaß-Lothringen
den Bundesstaaten gleichgestellt worden ist, ist es Reichsland geblieben; denn
es fehlt eine selbständige, von der Reichsgewalt verschiedene Staatsgewalt
und die vom Reich gegebene Verfassung kann jederzeit durch Reichsgesetz
abgeändert und aufgehoben werden.
VI. Die Schutzgebiete. Das Deutsche Reich besitzt gegenwärtig acht,
nämlich Südwestafrika, Westafrika (Kamerun und Togo), Ostafrika, Kaiser
Wilhelsmland nebst dem Bismarck-Archipel und den Salomoninseln, die Mar-
schall-, Brown- und Providence-Inseln, Kiautschou, die Inselgruppen der Karo-
linen, Palau und Marianen (mit Ausnahme von Guam) und Inseln der Samoa-
gruppe. Siesind teils durch Okkupation, teils durch Abtretung erworben worden.
Sie bilden keinen Bestandteil des Reichsgebietes, sondern sie sind als Pertinenzen
desselben zu bezeichnen; die RV. ist in denselben nicht eingeführt. Dadurch
stehen sie im Gegensatz zum Reichsland. Ihr staatsrechtliches Verhältnis zum
Reich ist durch das Schutzgebietsgesetz vom 10. September 1900 geregelt.
Dasselbe überträgt dem Kaiser die Ausübung der Schutzgewalt im Namen des
Reiches. Er ist dabei weder an die Mitwirkung des Bundesrates noch an diejenige
des Reichstages gebunden; doch kann er den Weg der Reichsgesetzgebung
beschreiten und die in dieser Form getroffenen Anordnungen können nur durch
Reichsgesetz aufgehoben oder abgeändert werden. Die dem Kaiser zustehende
Ausübung der Schutzgewalt ist sachlich unbeschränkt; sie umfaßt alle Zweige
der Staatstätigkeit; jedoch richten sich das bürgerliche Recht, das Strafrecht,
das gerichtliche Verfahren und die Gerichtsverfassung nach den Vorschriften
des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes, also nach den reichsgesetzlichen Be-
stimmungen, welche jedoch in gewissen Punkten durch kaiserliche Verord-
nungen abgeändert werden. können. Die höchste Verwaltungsstelle ist der
Reichskanzler als der Minister des Kaisers; die ihm obliegenden Funktionen
werden unter seiner Verantwortlichkeit vom Kolonialamt ausgeführt. Nur die
Verwaltung von Kiautschou ist dem Marineamt unterstellt. An der Spitze jedes
Schutzgebietes steht ein kaiserlicher Kommissar, welcher den Titel Gouverneur
führt; ihm ist ein weitreichendes Verordnungsrecht übertragen. Alle Zivil-
behörden des Schutzgebietes und die Schutztruppen in den afrikanischen Schutz-
gebieten sind ihm untergeordnet.
Rechtliche
Natur.