B. Die Organisation des Reichs. I. Dsr Kaiser. II. Der Bundesrat. 343
der Monarch des Reiches, sondern er führt ‚das Präsidium‘; „Deutscher Kaiser‘
ist nur der Name, unter welchem er es führt. (RV. Art. ıı Satz 1.) Während
der Monarch im konstitutionellen Staate alle in der Staatsgewalt enthaltenen
Rechte und Befugnisse hat, welche nicht durch die Verfassung oder die Landes-
gesetze ihm entzogen sind, hat der Kaiser nur diejenigen Rechte, welche ihm
durch die Reichsverfassung oder die Reichsgesetze übertragen sind; er übt
sie nicht aus als Landesherr als angestammte eigene Rechte (proprio iure),
sondern als Organ des Reiches im Namen des Reiches. Der Kaiser hat sonach
im Reich eine Doppelstellung; er ist als König von Preußen Mitglied des
Reiches und hat als solches alle verfassungsmäßigen Rechte der Bundesfürsten
und überdies den unentziehbaren Anspruch auf die Kaiserwürde, und er ist
als Kaiser Organ des Reiches und hat als solches die Funktionen auszuüben,
mit denen die RV. und die Reichsgesetze dieses Organ betrauen. Praktisch
tritt dieser Gegensatz insbesondere darin hervor, daß der Kaiser das Recht zur
Sanktion der Reichsgesetze und zum Erlaß von Rechtsverordnungen nicht hat,
soweit ihm nicht das Verordnungsrecht durch spezielle Anordnungen der RV.
oder der Reichsgesetze besonders übertragen ist. Dagegen sind im übrigen dem
Kaiser fast alle Rechte eingeräumt, welche den Monarchen der konstitutionellen
Staaten eigen sind. Ihm steht zu die alleinige und ausschließliche Vertretung
des Reiches sowohl auswärtigen Staaten gegenüber als auch im Verhältnis zu
den Gliedstaaten und anderen Personen. Er hat die Reichsgesetze auszufertigen
und zu verkündigen und ihre Ausführung seitens der Gliedstaaten zu über-
wachen. Er führt die Regierung des Reiches und ernennt und entläßt die Reichs-
beamten. Er hat den Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches und eine
Zahl damit in Zusammenhang stehender Rechte. Er hat den Bundesrat und
den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen; er bringt
die Vorlagen im Bundesrate zur Beratung und in seinem Namen werden die
Beschlüsse des Bundesrats an den Reichstag gebracht. Endlich ist die Aus-
übung der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen und der Schutzgewalt in den
deutschen Schutzgebieten dem Kaiser übertragen.
II. Der Bundesrat. Der Bundesrat besteht aus Bevollmächtigten der
Gliedstaaten. Die Stimmen der einzelnen Staaten sind nach demselben Verhältnis
verteilt wie im ehemaligen Plenum des Bundestages mit der Ausnahme, daß
Bayern statt vier Stimmen sechs Stimmen führt. Preußen vereinigt die ehe-
maligen Stimmen von Preußen, Hannover, Kurhessen, Holstein-Lauenburg,
Nassau und Frankfurt, hat demnach ı7 Stimmen und führt außerdem die
Stimme von Waldeck; Sachsen und Württemberg haben je 4, Baden und Hessen
je 3, Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig je 2 Stimmen, die übrigen
17 Staaten je eine Stimme; zusammen 58 Stimmen. Elsaß-Lothringen hat,
wie oben bemerkt wurde, jetzt 3 Stimmen, welche aber nicht in allen Fällen
gezählt werden. Der Bundesrat entspricht dem äußeren Anschein nach einem
Staatenhaus; er ist aber seinem Wesen nach keine parlamentarische Körper-
schaft; denn seine Mitglieder müssen nach den Instruktionen, welche sie von
Rechte des
Kaisers.