C. Der Begriff des Rechtes, I. Das Wollen. 17
Waltens des Substanz auf. Aber trotzdem will auch Spinoza doch eine Er-
klärung der Rechtsordnung geben. Er meint, daß die Menschen dem Rechte
sich unterwerfen, weil sie imStaate das kleinere Übel im Vergleiche zur Anarchie
sehen, er wirft die Frage nach dem oßtimus rei publicae status auf, und er ent-
scheidet dahin, daß es recht gut sei, daß wir in der Staatsgemeinschaft zusammen-
gefaßt sind, weil diese ein angemessenes Mittel zur Erreichung der natür-
lichen Bestimmung des Menschen sei.
Es ist also der Gedanke von dem ‚Rechte‘ gar nicht zu fassen und dar-
zulegen, als durch eine Bezugnahme auf menschliche Ziele und dazu taug-
liche Mittel. Unter den Körpern der uns umgebenden Natur findet sich keiner,
der „das Recht‘‘ wäre. Aber das letztere ist auch nicht etwa eine bedingende
Art und Weise, um Wahrnehmungen als solche zu ordnen; es ist nicht ein
Begriff als eine einheitliche Methode der Naturwissenschaft.
Der Begriff des Rechtes kann in seiner Eigenart überhaupt nicht mit
den Gedankengängen bestimmt werden, die der Naturforscher zur einheitlichen
Ordnung der äußeren Erscheinungen nötig hat. Das hat auch nicht etwa mittel-
bar zu geschehen: die Vorstellung des Zweckes haben wir vielmehr der bloßen
Beobachtung des Naturverlaufes gegenüberzustellen. Es war keine glück-
liche Fassung, da Jhering den Zweck als ‚„psychologische‘‘ Kausalität wieder-
geben, wollte, die von der ‚mechanischen‘ zu trennen sei. Denn der Ge-
danke der Verursachung besagt eine gewisse Art, äußere Eindrücke zu
ordnen; ein solches Ordnungsprinzip muß dann aber auch als eine unbedingt
gleichmäßige Weise bei allen denkbaren Wahrnehmungen durchgeführt werden.
Wir müssen sonach die Beobachtung nach Ursachen und Wirkungen
von der Aufstellung von Zwecken und Mitteln unterscheiden. Diese Unter-
scheidung wird in der Tat auch notwendig gefordert, sobald wir unser Ge-
dankenreich in erschöpfender Vollständigkeit ordnen wollen. Es han-
delt sich um das Ordnen von Veränderungen im Laufe der Zeit. Da-
bei wird der eine Gegenstand in Abhängigkeit von einem andern gesetzt. Eine
solche Bestimmung des einen durch den andern kann aber — wie man längst
vordem dargelegt hat — in zweifacher Weise statthaben: es kann das Zu-
künftige (Wirkung) durch die Gegenwart (Ursache) bestimmt werden oder um-
gekehrt das Zukünftige (Zweck) die Bestimmung für das Gegenwärtige (Mit-
tel) sein.
Einheitliche Ordnung der Zweckgedanken steht dann als eine
eigene Arbeit neben der einheitlichen Ordnung der äußeren Wahrnehmungen;
und wir erhalten in ihr die Aufgabe einer Zweckwissenschaft. Freilich ist
ein Mittel für ein Ziel: eine auszuwählende Ursache; aber der Nach-
druck liegt nun auf dem Auswählen, und dieses bedeutet eine eigene grund-
legende Richtung der Gedanken, die von der bloßen Kausalbetrachtung ge-
trennt ist.
Der erste Schritt zu der Einsicht in dies Wesen des Rechtes und
der Rechtswissenschaft ist hiermit getan. Sie gehören zu dem Reiche
der Zweckwissenschaft: Das Recht ist eine Art des Wollens.
Kultur der Gegenwart. II. 8. 2. Aufl. 2
Wahrnehmen
und Wollen.
Zweck-
wissenschaft.