Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

D. Die Reichsverwaltung. V. Das Reichsfinanzwesen. 359 
mit Preußen zusammen herausgegebenen Reichs- und Staatsanzeigers. Auch 
bestehen für die Reichsverwaltungen Betriebsfonds. Die Unterscheidung 
zwischen Finanzvermögen und Verwaltungsvermögen findet auch Anwendung 
auf die passiven Vermögensbestandteile und hat hier eine besondere staatsrecht- Reichsschulden. 
liche Wichtigkeit. Denn die Entstehung von Verwaltungsschulden ist eine not- 
wendige Folge der Führung der Verwaltung selbst; die Behörden, welche mit 
diesen Verwaltungsgeschäften betraut sind, sind dadurch auch ipso jure zur 
Eingehung der davon untrennbaren Verbindlichkeiten ermächtigt und diese 
Schulden finden ihre Deckung in den im Reichshaushaltsetat dafür angewiesenen 
Beträgen; sie haben daher in der Regel eine nur kurze Dauer, erneuern sich 
aber unablässig. Zur Eingehung von Finanzschulden dagegen ist die Regierung 
durch den allgemeinen Auftrag zur Führung der Verwaltung nicht ermächtigt, 
sondern sie bedarf einer besonderen Ermächtigung durch Reichsgesetz für 
jeden einzelnen Fall einer Inanspruchnahme des Reichskredits. Die RV. Art. 73 
schreibt dies vor für die beiden Hauptformen der staatlichen Kreditgeschäfte, 
die Aufnahme von Anleihen und die Übernahme von Bürgschaften. Die Rechts- 
vorschriften über die Reichsanleihen sind in der Reichsschuldenordnung vom 
19. März 1900 zusammengefaßt worden. Die Verwaltung der Reichsschulden 
ist der preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden unter der Oberleitung 
des Reichskanzlers übertragen. Aus den vom Reich übernommenen Bürg- 
schaften ist eine Zahlung bisher nicht gefordert worden. 
Die Einnahmen des Reiches bestehen in den Erträgen des Reichsfinanz Einnahmen. 
vermögens und den Überschüssen der Betriebsanstalten, in den Gebühren der 
Reichsbehörden und den Nebennutzungen des Verwaltungsvermögens, ferner 
in den Erträgen der Zölle und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern, der Reichs- 
stempelabgaben und der Banknotensteuer. Dazu kommen etwaige Überschüsse 
der Vorjahre und außerordentliche Einnahmen durch Begebung von Anleihen. 
Soweit diese Einnahmen zur Deckung der Bedürfnisse nicht ausreichen, sollten 
sie nach dem ursprünglichen Wortlaut der RV. Art. 70 „solange Reichssteuern 
nicht eingeführt sind‘‘ durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten, sog. Matri- 
kularbeiträge, ergänzt werden. Dieses System ist durch die sog. Frankensteinsche 
Klausel umgestoßen worden, indem der größte Teil der Einnahme aus den Zöllen 
und der Tabaksteuer und der volle Ertrag der Branntweinverbrauchsabgabe 
und der Stempelsteuer den Einzelstaaten überwiesen werden, die dafür ent- 
sprechend größere Matrikularbeiträge zu entrichten hatten. Da durch diese 
Anordnungen in Verbindung mit der unmäßig anwachsenden Schuldenlast 
des Reiches sowohl die Finanzwirtschaft des Reiches als auch die der Einzel- 
staaten zerrüttet und aller festen Grundlagen beraubt wurden, hat das Reichs- 
gesetz vom 14. Mai 1904 eine — allerdings ungenügende — Verbesserung ein- 
geführt, indem es das System der Überweisungen einschränkte, die ohnehin 
längst nicht beachtete Klausel ‚solange Reichssteuern nicht eingeführt sind‘ 
aus dem Art. 70 strich und bestimmte, daß etwaige Überschüsse aus den Vor- 
jahren zur Deckung außerordentlicher Ausgaben dienen sollten, vorbehaltlich 
anderer Bestimmung durch das Etatsgesetz. Die völlige Zerrüttung der Reichs-
	        
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