Ausgaben.
Etat.
Kontrolle.
360 PAUL LABAND: Staatsrecht.
finanzen in Verbindung mit dem Anschwellen der Ausgaben für die bewaffnete
Macht, die Schuldenverzinsung, die Alters- und Invalidenversicherung, die
Pensionen usw. machte eine bedeutende Erhöhung der Reichseinnahmen zum
unabweisbaren Bedürfnis, zu dessen Befriedigung 1906 und namentlich 1909
zahlreiche neue Steuern eingeführt oder bestehende erhöht worden sind. Die
Steuern sind Zölle und Verbrauchsabgaben von Salz, Zucker, Tabak und Ziga-
retten, Branntwein, Bier, Schaumwein, Leuchtmittel und Zündwaren; ferner
Stempelabgaben von Spielkarten, Wechseln, Aktien, Schuldverschreibungen,
Talons, Schlußnoten, Lotterielosen, Frachturkunden, Personenfahrkarten, Kraft-
fahrzeugen, Schecks, Grundstücksübertragungen und Fideikommissen, sodann
eine Erbschaft- und Schenkungssteuer und endlich eine Wertzuwachssteuer
und eine Kaliabgabe. Die Überweisung an die Einzelstaaten besteht nur noch
bei der Branntweinverbrauchsabgabe; im übrigen ist die Frankensteinsche
Klausel beseitigt worden. Die Bundesstaaten erhalten zur Deckung der Er-
hebungskosten Anteile an dem Bruttoertrage der einzelnen Abgaben.
Die Ausgaben des Reiches treffen ebenso wie gewisse Einnahmen infolge
der Sonderrechte einzelner Staaten nicht alle Staaten gleichmäßig; es gilt dies
namentlich von den Ausgaben und Einnahmen der Post und Telegraphie, der
Biersteuer und den Kosten derjenigen Reichsbehörden, deren Zuständigkeit
sich nicht auf das ganze Reichsgebiet erstreckt, sowie der Ausgaben für die
Reichsschulden, insoweit dieselben für Bedürfnisse, welche nicht allen Staaten
gemeinsam sind, aufgenommen worden sind.
Die Matrikularbeiträge werden von den einzelnen Bundesstaaten nach
Maßgabe ihrer (ortsanwesenden) Bevölkerung aufgebracht und werden vom
Reichskanzler in derjenigen Höhe ausgeschrieben, welche im Etatsgesetz fest-
gestellt, also vom Reichstag bewilligt ist. Wenn der Fall eintreten sollte, daß
am Jahresschluß die ausgeschriebenen Beiträge sich als zu hoch erweisen, so
soll der Überschuß den Staaten nicht zurückgewährt, sondern zur Deckung
gemeinschaftlicher außerordentlicher Ausgaben verwendet werden. Durch das
Gesetz vom 8. Februar I9IO wurde der Grundsatz angenommen, daß die Matri-
kularbeiträge in der Regel 80 Pfennige auf den Kopf der Bevölkerung nicht
übersteigen sollen.
Der Reichshaushaltsetat wird durch ein Gesetz festgestellt; es be-
zeichnet dies den Weg seiner Feststellung; seinem Inhalt nach ist er ein Voran-
schlag der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben; eine Rechnungsauf-
stellung; ein Akt ordnungsmäßiger Verwaltung. Er soll alle Einnahmen
und Ausgaben enthalten. Die Wirtschaftsperiode beträgt ein Jahr und beginnt
mit dem I. April. Der Etat soll vor Beginn des Etatsjahres festgestellt werden;
doch wird diese Vorschrift der RV. nicht immer befolgt.
Die Rechnungskontrolle wird von Jahr zu Jahr durch besondere Gesetze
der preußischen Oberrechnungskammer unter der Benennung ‚Rechnungshof
des Deutschen Reiches‘' übertragen und nach den für Preußen geltenden Regeln
geführt. Dieselben sind jetzt enthalten in dem Preußischen Gesetz vom 27. März
1872, welche eine Abänderung und Vereinfachung für die Finanzwirtschaft des