378 GERHARD ANSCHOTZ: Verwaltungsrecht.
und Strafsachen ein und verneinen jede Erstreckung desselben auf die Streit-
fragen zwischen Individuum und Staat, wobei — wie einst in Rom — kein
Unterschied gemacht wird zwischen dem Staat als Träger des Imperiums und
dem Staat als Subjekt von Vermögensrechten. So sind insbesondere die Gesetze
über die Trennung von Justiz und Verwaltung von 1790 und 1795, in Frankreich
noch heute geltende Normen, aufzufassen. Noch heute ist dort für Streitigkeiten
auch mit dem Staate als Privatrechtssubjekt, als Fiskus, der ordentliche Rechts-
weg nicht grundsätzlich, sondern nur im Rahmen positiver Einzelvorschriften
der Gesetze zugelassen (vgl. auch unten S. 408ff.).
Auch in Deutschland — nicht im alten Reich, welches für das Werden
des modernen Staates nicht in Betracht kommt, sondern in den Territorien,
den heutigen Einzelstaaten — gravitiert die Entwickelung der Kompetenz-
verhältnisse in neuerer Zeit von den mittelalterlichen Anschauungen fort und
auf das römische Prinzip zu. Auch die deutschen Landesherren des 17. und
18. Jahrhunderts stehen — freilich vor den Reichsgerichten, deren Jurisdiktion
aber bei der Schwäche der Reichsgewalt den mächtigeren Fürsten gegenüber
praktisch bedeutungslos war —, nicht aber vor ihren Landesgerichten zu Recht,
und sie lassen auch über die Handhabung der Landeshoheitsrechte durch ihre
Behörden und Beamten Prozesse vor den Landesgerichten nicht zu. Nur darin
weicht die Kompetenzgestaltung in Deutschland von dem römischen und fran-
zösischen Recht schließlich ab, daß die jurisdiktionelle und prozessuale Gleich-
stellung des Staates mit den Untertanen in allen privatrechtlich-fiskalischen
Beziehungen anerkannt wird. Diese Gleichstellung, der zufolge der Staat als
Privatrechtssubjekt, als Eigentümer, Gläubiger, Schuldner, kurz als Fiskus,
vor den ordentlichen Gerichten Recht gibt und nimmt, vollzog sich im Laufe
des 18. Jahrhunderts, sie wurde im 19. Jahrhundert zu einem, zuweilen sogar
verfassungsmäßig verbrieften Satz des allgemeinen deutschen Landesrechts
und ist durch die Reichsjustizgesetzgebung gemeinrechtlich geworden: das
Einf.-Ges. zur Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 verfügt: ‚Für bürger-
liche Rechtsstreitigkeiten, für welche nach dem Gegenstand oder der Art des
Anspruchs der Rechtsweg zulässig ist, darf aus dem Grunde, weil als Partei der
Fiskus ... beteiligt ist, der Rechtsweg durch die Landesgesetzgebung nicht
ausgeschlossen werden.‘
Vorbehaltlich dieses Grundsatzes und abgesehen von einigen anderen, eben-
falls zwingend-gemeinrechtlichen Normen, welche in dem Gerichtsverfassungs-
gesetz und den Prozeßordnungen enthalten sind, hat das Reich die Abgrenzung
der Wirkungskreise von Justiz und Verwaltung der Landesgesetzgebung über-
lassen — in der Erwägung, daß es sich hier weniger um technisch-prozeßrechtliche
Fragen, als um Prinzipien des ‚inneren Staatsrechts‘‘ der Einzelstaaten handle,
in welche einzugreifen das Reich keinen Beruf habe. Es ist demzufolge durch das
Reichsgerichtsverfassungsgesetz, $ 13, zwar der, das Ergebnis der neueren Rechts-
entwickelung in den deutschen Ländern zusammenfassende Grundsatz aufge-
stellt worden, daß vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen gehören, der Wirkungskreis der