Verwaltung und
Justiz.
Begriff.
382 GERHARD ANSCHOTZ: Verwaltungsrecht.
Die Maxime: ne contra legem ne ulira legem sed intra legem ist gleich-
bedeutend mit dem, was man sonst auch das Prinzip der gesetzmäßigen
Verwaltung nennt. Dieses Prinzip ist nicht ohne weiteres selbstverständlich;
heute aber ist es, im Verfassungs- und Rechtsstaat der Gegenwart, maßgebend
für das Verhältnis von Gesetz und Verwaltung, Verwaltung und Untertanen;
es ist maßgebend kraft und infolge der konstitutionellen Gewaltenteilung (siehe
oben S. 372ff.).. Das Prinzip galt nicht in dem Staate ohne Gewaltenteilung
in der absoluten Monarchie, deren Verwaltung nicht eine Verwaltung nach
Gesetzen, sondern eine Verwaltung nur nach Zweckmäßigkeitsrücksichten war.
Auch die Justiz ist dem Gesetz untergeordnet, wie die Verwaltung, aber
das Unterordnungsverhältnis ist von anderer Art. Für das Verhältnis des
Richters zum Gesetz trifft zu, was das Verhältnis der Verwaltung zum Gesetz
nicht richtig charakterisiert: der Zweckgedanke. Dem Richter ist das Gesetz
Zweck. In der Berufstätigkeit des Richters ist die Gesetzesanwendung, die
Findung des Urteils gemäß dem Gesetz der einzige Zweck; Zweck der Verwal-
tungstätigkeit ist dagegen die Erhaltung und Beförderung des gemeinen Wohles
mit den Mitteln, welche das Gesetz erlaubt. Durch diese Verschiedenheit des
Verhältnisses zum Gesetz, sowie durch das Moment des ‚Handelns‘‘, der leben-
digen, schaffenden Aktion hebt sich das Wesen der Verwaltung von dem der
Justiz ab.
Es ist ein spezifischer Gegensatz, kein ausschließender. Es läßt sich
nicht leugnen, daß die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden in vielen Fällen der
richterlichen völlig gleicht. Die Verwaltung handelt nicht sowohl, sie entscheidet
auch Rechtsstreitigkeiten, diejenigen nämlich, welche nach der oben geschil-
derten Kompetenzabgrenzung dem ordentlichen Rechtswege entzogen sind.
Damit öffnet sich der Ausblick auf die der Verwaltung beigelegte Jurisdiktion:
auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
B. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsrechtspflege.)
I. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland. ı. Be-
griffliche und geschichtliche Grundlagen. Eine weitspannende ma-
terielle Bedeutung des Wortes Verwaltungsgerichtsbarkeit würde sich aus
der einfachen Anwendung des mit ‚Rechtspflege‘ (oben S. 374, 375) identischen
Begriffes ‚Gerichtsbarkeit‘ auf das Verwaltungsrecht ergeben. Jede auf Er-
haltung der Verwaltungsrechtsordnung (jenes Teiles der öffentlichen Rechts-
ordnung, welche Schranken zieht zwischen der verwaltenden Staatsgewalt und
den Untertanen) und auf Schutz der aus ihr fließenden subjektiven Rechte
gerichtete streitentscheidende Tätigkeit wäre hiernach Verwaltungsgerichts-
barkeit und als solche zu bezeichnen, gleichviel, durch welches Staatsorgan
und in welchen Formen sie ausgeübt wird. Verwaltungsgerichtsbarkeit wäre es,
wenn die höhere Verwaltungsbehörde, auf erhobenen Beschwerde oder von
Amts wegen im Dienstaufsichtswege Entscheidung trifft über die rechtliche
Zulässigkeit der Anordnung einer unterstellten Behörde; Verwaltungsgerichts-
barkeit läge in dem Urteil des Zivilrichters, wonach der vor ihm auf Schadens-