Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

I. Justiz u. Verwaltg. B. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsrechtspflege). 407 
behörden für gewisse Zwecke und Fälle ein besonderes Verfahren vorgeschrieben 
wäre: die streitentscheidende Tätigkeit der Verwaltungsbehörden ist auch 
prozessual nicht differenziert. Streitsachen des Verwaltungsrechts sind zunächst 
im einfachen Verwaltungswege, im Instanzenzuge der Verwaltung zum Aus- 
trag zu bringen, oder, vom Standpunkt der Rechtsuchenden aus gesprochen: 
es ist zunächst das Mittel der Verwaltungsbeschwerde zu gebrauchen und zu 
erschöpfen. Erst nach Erschöpfung des administrativen Beschwerde- und In- 
stanzenweges kann die Sache an den Verwaltungsgerichtshof gelangen. 
Der österreichische Verwaltungsgerichtshof ist, wie die analogen Behörden 
in Deutschland, ausschließlich mit Berufsbeamten besetzt und, was die dienst- 
liche Stellung seiner Präsidenten, Senatspräsidenten und Mitglieder betrifft, 
mit allen Garantien oberstrichterlicher Unabhängigkeit ausgestattet. Seine 
Senate erkennen regelmäßig in der Besetzung mit fünf Mitgliedern einschließlich 
des Vorsitzenden. 
Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet in allen Fällen, in denen jemand 
durch eine gesetzwidrige Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungs- 
behörde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Auch in Österreich ist 
also dem Verwaltungsrichter in und mit dem Schutz des subjektiven zugleich 
die ‚„Pflege‘‘, die Aufrechterhaltung des objektiven Rechtes anvertraut (vgl. 
oben S. 379f). Abweichend von dem System der meisten deutschen Staaten ist 
die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes durch die angegebene, 
also eine einzige allgemeine Formel abgegrenzt, welche sehr weit reicht, sofern 
unter ‚„Verwaltungsbehörde‘‘ nicht nur die Organe der reinen Staatsverwaltung, 
sondern auch die der Selbst-, insbesondere der Gemeindeverwaltung zu ver- 
stehen sind. Ausgeschlossen von der Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes 
sind nur die vom Gesetz ausdrücklich als solche bezeichneten Sachen. Unter 
den letzteren figurieren, wie in manchen deutschen Gesetzen, u.a. auch dic 
„Angelegenheiten, in denen und insoweit die Verwaltungsbehörden nach freiem 
Ermessen zu verfügen berechtigt sind‘, — eine Formulierung, welche der Kon- 
trolle des Verwaltungsgerichtshofes vieles entzieht, was ihr im Interesse des 
Schutzsuchenden nicht entzogen sein sollte, welche es dem Gerichtshofe z. B. 
nicht gstattet, nachzuprüfen, inwieweit eine polizeiliche Verfügung durch sach- 
widrige Unterstellungen der verfügenden Behörde veranlaßt worden ist. Trotz 
seines sehr ausgedehnten Zuständigkeitskreises ist die Einwirkung des Ver- 
waltungsgerichtshofes auf die Verwaltung in Österreich kaum so intensiv wie 
in Deutschland, insbesondere in Preußen. Es hängt dies mit der bereits her- 
vorgehobenen Tatsache zusammen, daß es an verwaltungsgerichtlichen Unter- 
instanzen fehlt. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof bildet nicht 
die Spitze eines Aufbaues von Verwaltungsgerichten, die zugleich Verwaltungs- 
behörden sind, sondern steht der gesamten Verwaltung gegenüber in der Stellung 
einer isolierten Kassationsinstanz. Er kann die nach Erschöpfung des Be- 
schwerdezuges vor ihn gebrachte administrative Verfügung nur bestätigen oder 
aufheben, nie aber abändern. Er entscheidet nie in der Sache selbst, er kann nur 
aussprechen, entweder, daß der Beschwerdeführer (Kläger) mit seiner Be-
	        
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