Oberste
Reichsgerichte.
Local Govern-
ment Board.
4. Italien.
416 GERHARD ANSCHOTZ: Verwaltungsrecht.
beide sind einander koordiniert und grundsätzlich voneinander unabhängige.
Die friedensrichterlichen Behörden sind vorwiegend Gerichte, die Grafschafts-
räte vorwiegend Verwaltungsbehörden, doch ist eine durchgreifende, prinzipielle
Scheidung zwischen Richter- und Verwaltungsamt ebensowenig bewirkt, wie
etwainnerhalb des Verwaltungsamts zwischen laufender und streitentscheidender
Tätigkeit unterschieden wird: in der den beiden Behördenreihen übertragenen
Verwaltungskompetenz ist die Befugnis zur Rechtsanwendung im Streitfalle
überall inbegriffen. Man muß also sagen, daß die quarter sessions auch jetzt
nochStrafgericht, Landespolizeibehörde und Verwaltungsgericht im kontinentalen
Sinnesind, daß aber auch die county councilsrein administrative und verwaltungs-
richterliche Tätigkeit zusammen ausüben.
Von den friedensrichterlichen Behörden geht der Rechtszug, und zwar
ohne Unterschied in Justiz- wie in Verwaltungssachen an die obersten Reichs-
gerichte, insbesondere an denjenigen Senat des obersten Gerichtshofes (High
Court of Justice), welcher den Namen King’s Bench Division führt. Die
Tatsache dieses Rechtszuges hat nichts Auffallendes, da ja die friedensrichter-
lichen Behörden ungeachtet ihrer weitreichenden Verwaltungszuständigkeit
Gerichte, Untergerichte sind; es handelt sich nicht eigentlich um eine Kon-
trolle der Verwaltung durch die Justiz, sondern um die Kontrolle des unteren
Richters durch den höheren. Der Kontrolle des obersten Gerichtshofes — stets
reine Rechts-, nie Zweckmäßigkeitskontrolle — sind auch die modernen Be-
hörden, die Stadt- und Grafschaftsräte unterworfen, und insoweit läßt sich von
einer Unterordnung der Verwaltung unter die Justiz reden. Die Inanspruch-
nahme dieser Rechtskontrolle geschieht durch besondere Rechtsmittel, welche
darauf abzielen, daß der oberste Gerichtshof entweder die Entscheidung der
Sache von der Unterinstanz bzw. unteren Behörde abruft (durch writ of Cer-
tiorari) oder (durch writ of Mandamus) die untere Stelle dem Antrag der Partei
entsprechend anweist.
Die durch die Verwaltungsreformen der letzten Jahrzehnte neugeschaffenen
Zentralbehörden, insbesondere das einem festländischen Ministerium des Innern
in manchem Betracht vergleichbare Local Government Board haben nicht die
Eigenschaft von Verwaltungsgerichten. Sie sind allerdings Oberinstanzen des
modernen Administrationssystems, aber nicht im Sinne von Beschwerde-, sondern
nur von Aufsichtsinstanzen. Ihr Wesen ist das von zentralen Inspektionen ohne
Exekutivgewalt, welche die ihnen unterstellten Ämter überwachen, anleiten, be-
raten und unterstützen, welche Staatszuschüsse bewilligen und versagen können,
aber nichts zu befehlen und zu vollstrecken haben.
4. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Italien. Italien hat zwei
‚ Verwaltungsgerichtsgesetze‘‘: die legge sul contenzioso amministrativo vom
20. März 1865 und die legge sull’ ordinamento della giustizia amministrativa
vom 1. Mai 1890. Das erste Gesetz schafft die bis dahin bestehende, den fran-
zösischen Einrichtungen (Präfekturräte und Staatsrat) nachgebildete Ver-
waltungsgerichtsbarkeit ab, das zweite stellt sie in eigenartiger Zuständigkeit
und in neuen Formen wieder her. Das Gesetz vom 20. März 1865 überträgt allen