Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

418 GERHARD ANSCHCTZ: Verwaltungsrecht. 
der Staatsratssektion aufzählend und durch Generalklausel bestimmt. Es 
handelt sich bei dieser Zuständigkeit durchweg um Streitsachen, bezüglich deren 
der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen ist, sei es, daß dieser Ausschluß auf 
positiven Einzelvorschriften, sei es, daß er auf dem Prinzip des Gesetzes von 
1865, d.h. darauf beruht, daß im Einzelfalle entweder kein bürgerliches oder 
politisches Individualrecht oder überhaupt kein Recht, sondern nur ein Inter- 
esse der durch einen Verwaltungsakt benachteiligten Partei geltend gemacht 
werden kann. So erstreckt sich insbesondere die Zulässigkeit des Rekurses 
bei der IV. Sektion des Staatsrats auf alle Fälle administrativer Inkompetenz, 
Machtüberschreitung und Gesetzesverletzung, ferner auf diejenigen Fälle, wo 
die Partei durch einen Verwaltungsakt in ihren Interessen verletzt zu sein be- 
hauptet. Gerade der Interessenschutz steht, neben dem Schutz der Verwaltungs- 
rechtsordnung als solcher, im Vordergrunde der Aufgaben dieser modernen 
italienischen Giustizia amministrativa. 
C. Kompetenzkonflikte. 
Begriff. I. Begriff des Kompetenzkonflikts. Kompetenzkonflikte (franz. 
conflits d’attributions) sind Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Justiz und 
Verwaltung. Zur Verwaltung im Sinne dieser Gegenüberstellung gehört auch 
die Verwaltungsgerichtsbarkeit: auch Streitigkeiten über die Kompetenz zwischen 
ordentlichen Gerichten und Verwaltungsgerichten sind Kompetenzkonflikte und 
werden als solche behandelt. 
und negativer Es ist zu unterscheiden zwischen positiven und negativen Kompetenz- 
Kompeten,. Konflikten. Der Fall des positiven Konflikts liegt vor, wenn eine Sache von jedem 
koafik. der beiden Streitenden als zu einer Kompetenz gehörig in Anspruch genommen 
wird, während man von einem negativen Konflikt spricht, wenn beide, Justiz 
wie Verwaltung, ihre Zuständigkeit ablehnen. 
Andere, mit den Kompetenzkonflikten nicht zu verwechselnde Zuständig- 
keitsstreite sind diejenigen, welche sich innerhalb der Justiz oder der Ver- 
waltung, also nicht zwischen Gerichten und Verwaltungsorganen, sondern 
zwischen Gerichten untereinander oder zwischen Verwaltungsorganen unter- 
einander abspielen. Solche Kontroversen (franz. conflits de juridiction) werden 
von dem den streitenden Stellen zunächst vorgesetzten Gericht bzw. Verwaltungs- 
organ entschieden (über den Fall streitender Gerichte vgl. Zivilprozeßordnung 
$ 37, Strafprozeßordnung $ 14). 
Kompeiear- Kompetenzkonflikte sind nur möglich, soweit Justiz und Verwaltung or- 
unmöglich bei ganisch getrennt sind. Aber auch bei durchgeführter Gewaltentrennung kann 
Son vernekat der die Gesetzgebung dem möglichen und erfahrungsgemäß nicht seltenen Falle 
des Kompetenzzweifels gegenüber sich auf den Standpunkt stellen, daß solche 
Zweifelsfragen überall von den Gerichten, und zwar im gewöhnlichen Verfahren 
und Instanzenzuge zu entscheiden seien. Es fehlt alsdann an einem besonderen 
Richter über die Kompetenzfragen zwischen Justiz und Verwaltung: der ordent- 
liche Richter, also das Prozeßgericht hat seine Zuständigkeit von Amts wegen 
zu prüfen und wahrzunehmen, er hat über ihr Vorhandensein oder Nicht-
	        
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