Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Begriff 
der „Polizei‘. 
VERWALTUNGSRECHT. 
I. POLIZEI UND KULTURPFLEGE. 
VON 
EDMUND BERNATZIK. 
Einleitung. 
Mit dem Wiederaufleben der antiken Vorstellungen vom Staat wurde anfangs 
des 15. Jahrhunderts zuerst in Frankreich der Ausdruck ‚‚Polizei‘‘ (von noAıteia, 
dann romanisiert in dolıtia, Police) üblich, um damit die Vorstellung zu bezeichnen, 
daß der Staat die Aufgabe und somit das Recht habe, das Glück und die Wohl- 
fahrt seiner Angehörigen herbeizuführen, was nach mittelalterlicher Auffassung 
nicht Sache des Landesherrn war. Soweit kollektive Interessen dieser Art damals 
überhaupt anerkannt waren, lag ihre Pflege in Händen der Kirche und verschiede- 
ner Korporationen. Während der antike Stadtstaat Kulturzwecke verfolgte und 
die antike Staatslehre geradezu es als seine Aufgabe betrachtet hatte, den Bürger 
zur Tugend zu erziehen und zum Glück zu führen, sorgte der Landesherr im Mittel- 
alter nur für die Sicherheit nach außen und den Frieden im Innern. Jetzt lebte 
dieantike Vorstellungsweise wieder auf. Die Regierungen schrieben sich dabei 
von vornherein auch das Recht zu, ihren neuen Aufgabenkreis durch Zwang zu 
verwirklichen, während nach mittelalterlicher Anschauung nur der Richter 
das Recht hat, den Zwangsapparat zu handhaben. Darüber hinaus war es 
Sache und Recht des Individuums, sich und seine Schutzgenossen durch Selbst- 
hilfe in seinem Hause (‚,my house is my castle‘‘) oder durch die Waffe zu schützen: 
Begriff und Prinzip der Polizei haben sich mit der Renaissance bald auf dem 
ganzen Kontinent verbreitet (nur England verhielt sich lange ablehnend). 
Trotzdem herrscht noch heute hinsichtlich des genaueren Inhalts des Begriffs 
der Polizei eine solche Meinungsverschiedenheit, daß es unmöglich ist, ihn in 
einer Weise zu bestimmen, die sich allgemeiner Billigung erfreuen würde. 
Immerhin kann man feststellen, daß sich (und zwar aus tiefer liegenden poli- 
tischen Gründen) die Bedeutung des Wortes sehr verengert hat. Wir ver- 
stehen heute unter Polizei nicht mehr, wie noch zu den Zeiten des ‚‚Polizei- 
staates‘‘ im 18. Jahrhundert, die gesamte innere Verwaltung. Wir haben zwar 
die ganze Weite der Zwecke, die sich der ‚Polizeistaat‘‘ setzte, in die Gegen- 
wart herübergenommen, aber wir haben daneben die Freiheit des Individuums 
in erheblichem Maße wieder hergestellt. Wir haben daher heute sehr viel
	        
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