II. Polizei und Kulturpflege. Einleitung. 423
innere Verwaltung, wo für „Polizei‘‘ kein Raum ist. Diese engere Bedeutung
des Wortes hat zuerst J. St. Pütter 1770 formuliert, von dem auch die Schei-
dung von „Polizei“ und ‚„Kulturpflege‘‘ stammt, die vorliegender Darstellung
zugrunde liegt, eine Scheidung, die zwar, wie sich gleich zeigen wird, keine
scharfe ist, aber doch auf einem berechtigten Gedanken beruht. Die Polizei
sichert die Erhaltung des Friedens und der Ordnung im Staate und schafft so
die allererste und wichtigste Voraussetzung jeglicher „Kultur“. Daneben
sorgt sie aber oft mit noch größereın Eifer für die Erhaltung der fürstlichen
Macht. Wo nun die Monarchie eine despotische ist, kann man darin keinen
Kulturfaktor erblicken. Selbst die ‚absolute Monarchie‘‘, welche den ‚‚Polizei-
staat‘‘ hauptsächlich ausgebildet hat, schwankt zu leicht zur Despotie hin-
über, und wo diese überwunden wurde, ist sie zu kurze Zeit und viel zu wenig
vollständig aus dem Bewußtsein der europäischen Zivilisation verschwunden,
als daß die Tätigkeit der Polizei nicht auch heute noch oft als eine kultur-
feindliche empfunden würde. Dazu kommt, daß die moderne Kultur, im
Gegensatz zur mittelalterlich-katholischen, die Tendenz zur Entwickelung,
zum Fortschritt in sich birgt. Die Polizei aber ist die naturgemäße Hüterin
des Bestehenden in Sitte und Recht und sie bleibt es allzeit, auch wenn die
Sitte längst als Unsitte erkannt, die Vernunft zum Unsinn, das Recht zur
Ungerechtigkeit geworden ist. Sie konstruiert sich, wie Otto Mayer geistreich
bemerkt hat, einen Normalmenschen, an dem sie das Verhalten des einzelnen
mißt. Wir können es begreifen, wenn dieser polizeiliche Normalmensch ein
etwas spießbürgerliches Gesicht hat und Kulturfortschritten nicht übermäßig
geneigt ist. Auch die Mittel, deren sich die Polizei bedient, stehen keineswegs
ganz im Einklang mit den Anforderungen unserer Kultur. Immer wieder und
wieder beobachten wir dieselben Roheitsexzesse des polizeilichen Exekutiv-
personales, immer von neuem sehen wir die polizeilichen Organe als agents
provocateurs auftreten und mit Bestechung, Spionage, Verleitung zum Verrat
und auf ähnliche uns sehr unkultiviert vorkommende Weise arbeiten. Der
Satz, daß der Zweck jedes Mittel heilige, widerspricht unzweifelhaft unserer
modernen Kultur. Nichtsdestoweniger huldigen ihm die Polizeibehörden aller
Staaten der Welt hie und da auch heute noch.
Polizeiliche Tätigkeit und Kulturpflege stehen indes noch aus einem
anderen Grunde im Gegensatze zueinander. ‚Pflege‘‘ ist Förderung, Beleh-
rung, Erziehung, Unterstützung, mit materiellen und geistigen Mitteln. Das
sind alles Dinge, mit welchen heute die Polizei nichts zu schaffen hat. Der
‚„Polizeistaat‘‘ des 17. und 18. Jahrhunderts sah zwar auch solche Tätigkeiten
als Aufgabe der Polizeibehörden an, weil er zwischen Gesetzgebung und Ver-
waltung nicht schied und den einzelnen selbst gegen seinen Willen zu seinem
Glücke oder dem, was er darunter verstand, zu zwingen unternahm. Diese
Auffassung des Wortes Polizei haben wir heute nicht mehr, und darum müssen
wir die Scheidung derselben von der Kulturpflege vorliegender Darstellung
zugrunde legen. Vorausschicken müssen wir dabei aber, daß hier nur die for-
malen Elemente des Polizeiwesens entwickelt werden können. Die staat-
Gegensatz von
Polizei und
Kulturpflege.