II. Polizei und Kulturpflege. A. Polizeirecht. 429
Strafandrohungen nur in Gesetzen ausgesprochen werden dürfen. Das Gesetz
verbindet dann entweder, wie es im Kriminalrecht üblich ist, das Verbot mit
der Strafandrohung (,,Wer das und das tut, wird‘‘ usw.) oder es beschränkt
sich auf die letztere und überläßt es den Polizeibehörden, die gefährdende
Handlungsweise durch Verordnung zu verbieten. Die Strafandrohung ist dann
eine bedingte, sie wird nur wirksam, wenn die Polizeiverordnung dazu tritt.
Ein solches Gesetz nennt man nach Bindings Vorgang ein ‚Blankett-Gesetz‘,
eine Einrichtung, über deren Nützlichkeit die Ansichten sehr geteilt sind.
In der Mehrzahl der Staaten hat man den Polizeibehörden die weitgehenden
Befugnisse erhalten, welche sie aus den Zeiten des Polizeistaates übernommen
haben, wo gesetzgebende und vollziehende Gewalt nicht getrennt waren. In
diesen Staaten haben die Polizeibehörden das Recht, selbst Strafandrohungen
in Form abstrakter Normen zu erlassen, und man nennt solche Normen Polizei-
strafverordnungen. Indes sind dann die Polizeibehörden dabei nicht nur
an gesetzliche Ermächtigungen, sondern auch an allerlei andere Schranken
gebunden, indem das Gesetz die Strafarten begrenzt und Strafmaxima fest-
stellen kann. In beiden Systemen hat man zur Handhabung der Polizeistraf-
justiz richterliche Elemente herangezogen. In England, indem man die Polizei-
strafe den Friedensrichtern, in Belgien und anderwärts, indem man sie den
gewöhnlichen Gerichten überwies. Genau genommen hört damit der Begriff
der Polizeistrafe zu existieren auf und sie wird ein Stück der gewöhnlichen rich-
terlichen Tätigkeit. In den meisten Staaten ist man aber nicht so weit ge-
gangen, teils aus Bequemlichkeitsgründen, um an den bisherigen Zuständen
möglichst wenig zu ändern, teils um die Macht der Polizeibehörden nicht zu
schwächen, teils im Interesse der Fehlbaren selbst, die unter einer polizei-
lichen Beanstandung nicht in dem Maße leiden, wie unter gerichtlicher Be-
handlung, teils um die Gerichte nicht dadurch zu demoralisieren, daß sie die
Strafjustiz in den Dienst administrativer Zweckmäßigkeitserwägungen stellen
müssen. Aber man hat dann die Strafjustiz der Polizeibehörden meist einer
richterlichen oder quasirichterlichen Kontrolle unterstellt. Teils so, daß man
die Polizeistrafjustiz, wie in Frankreich wenigstens dem besonderen Verfahren
des ‚‚contentieux administratif‘‘ zuwies, da Frankreich bis heute die direkte
Einflußnahme von unabhängigen Richtern als einen Bruch mit dem Prinzip
der ‚Trennung der Gewalten‘‘ perhorresziert. Teils auch so, daß man die Ver-
hängung der Polizeistrafe von vornherein ‚Verwaltungsgerichten‘‘ übertrug.
Anderwärts hat man den Parteien eine Berufung an das ordentliche Gericht
oder ein Verwaltungsgericht eingeräumt, zum Teil aber dabei die Tätigkeit
der Gerichte auf eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit beschränkt. Das Gericht
kann dann als Polizeistraferkenntnis zwar kassieren, aber nicht reformieren,
und in der Regel kann es dabei die Gesetzmäßigkeit der dem Erkenntnis vor-
hergegangenen Verfügung, sowie eventuell die der Polizeiverordnung oder
Polizeistrafverordnung überprüfen und ihre Anwendung wegen Gesetzwidrig-
keit ablehnen.
Polizei-
strafverardnung.
Endlich kommt in Betracht der von der Polizeibehörde geübte Zwang. Polizeizwang.