Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

26 RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft. 
willkürlicher Anordnung anderseits festgelegt zu werden. Sollen die Vor- 
stellungen, in denen die ‚„rechtliche‘‘ Art bedingend auftritt, weiter zerteilt 
werden, so bedürfen wir besonderer Ziele; die Möglichkeit, die „rechtliche“ 
Eigenschaft eines Gedankens in allgemeingültiger Abgrenzung von ande- 
rem Bewußtsein darzulegen, ist mit jenen vier Merkmalen erschöpft. Wir er- 
halten sonach als Begriffsbestimmung diese: „Recht‘ ist das unverletz- 
bar selbstherrlich verbindende Wollen. 
D. Das positive Recht. 
onen Il. Das Gelten des Rechtes. In der allgemeinen Rechtsbetrachtung 
Gelten. Sind drei verschiedene Brgriffe zu unterscheiden, die leicht in Gefahr sind, sich 
durcheinander zu mengen. 
I. Der Rechtsbegriff selbst. Er bedeutet eine formale Art des mensch- 
lichen Wollens, die sich von anderen Klassen des letzteren in allgemeingültiger 
Weise scharf abgrenzen läßt, 
2. Das positive oder gesetzte Recht. Es besteht aus bedingten 
Willensinhalten, die die Eigenschaft des ‚‚rechtlichen‘‘ Wollens haben. Das 
Merkmal des ‚Positiven‘‘ besagt also den bedingten Bestandteil eines 
besonderen rechtlichen Wollens. Nennt man nun ‚Recht‘ gerade ein be- 
sonderes Wollen, das nach dem bedingenden Gedankengang des Rechtsbegriffes 
bestimmt ist, so ist es ein selbstverständlicher analytischer Satz, daß es kein 
anderes Recht, als positives Recht geben kann. | 
3. Ein geltendes Recht. Dieses ist ein Teil des gesetzten Rechtes. 
Denn das letztere kann entweder jetzt an bestimmtem Orte in Geltung stehen 
oder nicht mehr gelten oder noch nicht in Kraft getreten sein. Es tritt also zu 
dem Gedanken des positiven Rechtes eine neue Eigenschaft hinzu, die dem 
Inhalte eines besonderen rechtlichen Wollens zukommen oder fehlen kann. Der 
Sprachgebrauch wirft nicht selten ‚positives‘ Recht und ‚‚geltendes‘‘ Recht 
zusammen; in der sachlichen Erwägung müssen sie stets geschieden werden. 
Ob man aber (wie vereinzelt gemeint worden ist) bloß einen solchen Rechts- 
inhalt mit dem Worte ‚Recht‘ bezeichnen solle, der die Eigenschaft des 
rechtlichen Geltens besitzt, kann doch auch nur eine terminologische 
Frage abgeben, die die sachlich notwendige Dreiteilung, von der wir sprechen, 
ganz unberührt läßt. Weshalb man übrigens nicht von dem ‚Rechte‘‘ der 
12 Tafeln oder des Sachsenspiegels soll reden dürfen, ist nicht einzusehen: wir 
haben dabei ein positives, wenngleich ein nicht mehr geltendes Recht vor uns. 
Die Geltung eines Rechtes ist die Möglichkeit seiner Durchsetzung. 
Hiernach fragt es sich, woran man allgemein erkennen könne, ob ein be- 
stimmter Rechtsinhalt in Geltung steht und darum in der Praxis anzuwenden 
ist. Um darauf eine Antwort zu erhalten, hat man eine Quelle der recht- 
der ee hen lichen Gewalt gesucht. Man wollte eine feste Größe ausfindig machen, ein 
Gewatt. Wesen außerhalb des Rechtes, dessen Spruch das Gelten eines Rechtes be- 
deuten soll.
	        
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