Unterricht
in den Künsten.
440 EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht.
Kunstfragen fehlt es in der Gegenwart nicht, und auch die Stellung des Staates
zur Kunst wird in der nicht juristischen Literatur vielfach behandelt. Es
ist aber sehr schwierig, aus einem Chaos von einzelnen Stimmen und Maß-
regeln diejenige Auffassung zu erlauschen, welche man als die herrschende
und als diejenige bezeichnen kann, der die Zukunft gehört.
So individuell und frei das künstlerische Schaffen ist, so war die Kunst
doch stets ein gesellschaftliches Phänomen. Auch der religiöse Glaube
ist etwas Individuelles, und doch ist die Isolierung der Frömmigkeit ‚im stillen
Kämmerlein‘‘ nur die Ilusion eines Schwärmers. Wie der Glaube mit Not-
wendigkeit zur gesellschaftlichen Betätigung, zum Kultus drängt, so das künst-
lerische Schaffen zu seiner Mitteilung an die Gesellschaft, mag diese der Künst-
ler noch so sehr verachten. In einer gewissen Kulturepoche fällt beides zusam-
men, Kultus und Kunst. Die Reformation hat auch die Kunst säkularisiert,
aber nicht von ihrem Zusammenhang mit der Gesellschaft gelöst. Zwar ist
nicht alles künstlerische Schaffen in dem hohen Maße von ihr abhängig, wie
etwa das Drama. Aber auch der verträumteste Lyriker, Maler oder Plastiker
bedarf der Mitteilung seiner Schöpfungen. Nicht nur aus künstlerischem
und priesterlichem Drange, sondern auch aus einem sehr realen Motiv, weil
der Künstler in der Regel davon leben muß. Soviel man auch diese Tatsache
beklagt, es ist leider nicht zu bestreiten, daß die Wohlhabenheit mit der Künst-
lerschaft sehr selten vereinigt ist. Es ist für die menschliche Natur nicht schmei-
chelhaft, aber leider nur zu oft beobachtet, daß das Talent des Reichen sich
im Dilettantismus verliert, während das des Armen in Entbehrungen zugrunde
geht. Könnte das Privateigentum abgeschafft werden, dann würde allerdings
auch dieser Übelstand hinwegfallen. Die Künstler würden dann staatliche
Beamte werden. Unsere Phantasie reicht nicht aus, sich diesen Zustand aus-
zumalen. Alles, was uns hier möglich scheint, ist eine staatliche Kunstpflege,
aber nicht Verstaatlichung der Kunst. Daß heute ein Ansatz zu staatlicher
Kunstpflege vorhanden ist, läßt sich nicht bezweifeln. Historisch reicht dieselbe
zurück zu dem zuerst in der Renaissance ausgebildeten ‚„Mäcenatentum‘‘,
dessen erhebliche Reste in den Monarchien, in ihren Galerien, Museen und
Palästen vielfach noch heute erhalten sind. Die staatliche Kunstpfiege be-
ginnt mit dem Unterricht in den bildenden Künsten, in den ‚Akademien‘.
Diese gehen zurück bis ins 17. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert ist manches
Neue hinzugetreten. Versuchen wir die Formen dieser staatlichen Kunst-
pflege zu scheiden, so finden wir nebst dem Unterricht und der Lehre die För-
derung fertiger Künstler, die Erhaltung und Festhaltung von Kunstwerken,
die Zugänglichmachung derselben für die Menge und die Ausbildung des Ge-
schmackes und Kunstsinnes. In allen diesen Formen hat sich staatliche Kunst-
pflege entwickelt. Daneben dient diesem Zwecke ein reiches, vom Staate ge-
fördertes freies Vereinswesen, während die Kommunen allerdings sich kaum
noch zu regen beginnen. Am verbreitetsten ist die Form des Unterrichtes in
öffentlichen Anstalten. Er erstreckt sich auf alle Stadien von der höchsten
Kunstbetätigung bis hinab zur primitiven Handfertigkeit, er erstreckt sich