II. Polizei und Kulturpflege. B. Kulturpflege. 441
auf alle Gebiete der Kunst, die Dichtkunst glücklicherweise ausgenommen.
Die Geschichte und die große Wichtigkeit der Kunstschulen kann hier nicht
weiter besprochen werden. Doch ist erwähnenswert, daß mit durch ihre Tätig-
keit auf dem Gebiete der bildenden Künste die Grenzen zwischen der sog.
„hohen‘‘ Kunst und dem Kunsthandwerk oder Kunstgewerbe in letzter Zeit
sehr stark verwischt worden sind. Die Kunst ist auch nach dieser Richtung
hin demokratisiert worden. Das hat unter anderem eine volkswirtschaftliche
Bedeutung. Denn indem die Kunst die Tendenz zu verfolgen begann, nebst
dem Schönen auch das Nützliche zu finden oder gar beides zu identifizieren,
gelangte sie zu dem Bestreben, möglichst viele Gebrauchsartikel künstlerisch
zu gestalten und verhinderte so bis zu einem gewissen Grade das Aufgehen
der damit befaßten Betriebe in den Großbetrieb, die Aufsaugung des kleinen
Kapitals durch das große.
Je besser nun die Kunstgewerbeschulen gediehen, desto weniger be-
währten sich die „Akademien“. Ja es gehen noch heute die Ansichten dar-
über sehr auseinander, ob man zu selbständiger künstlerischer Produktion in
Unterrichtsanstalten überhaupt anleiten solle und könne. Dieser Streit scheint
sich auch in das folgende Jahrhundert fortspinnen zu wollen, obwohl er seit
langem besteht, und schon vor mehr als hundert Jahren die Bezeichnung
„akademisch‘‘ zum Spottwort geworden war. Unzweifelhaft entsprechen die
Erfolge der Akademien der bildenden Künste keineswegs der Mühe und den
Auslagen, und es ist bezeichnend, daß sie gerade in den Kreisen der Künstler
selbst oft für direkt schädlich gehalten werden, weil sie es den Mittelmäßigen
ermöglichen, in ausgetretenen Geleisen wandelnd, unverdiente Erfolge zu er-
ringen, während sie die kräftigen, neue Bahnen einschlagenden Talente er-
sticken. Es ist das mit den höheren musikalischen Schulen ganz ähnlich be-
stellt, so glänzend sie auch für die reproduzierende musikalische Kunst
wirken. Trotz alledem haben sich die hohen Kunstschulen bisher erhalten und
werden sich wohl auch in Zukunft erhalten. Vielleicht weil der stets konserva-
tive, in der Regel auch geistig mittelmäßig begabte Mittelstand ein Bedürfnis
nach Kunstwerken besitzt, welche diesem Niveau entsprechen.
Erheblich jünger, aber zukunftsreicher ist die Förderung fertiger Künst-
ler. Die Entwickelung ist hier noch sehr verschwommen und ihre Resultate
ungeregelt. Aber: es läßt sich nicht verkennen, daß man in den letzten De-
zenien auch in dieser Beziehung sich mit einer Ausdehnung der Kompetenzen
von Staat und Kommunen befreundet hat. Ja, man fängt an, das Eingreifen
derselben direkt zu fordern und von Pflichten des Staates, hie und da sogar
der Kommunen zu sprechen. Man beginnt es als eine Schmach zu empfinden,
wenn sie einen bedeutenden Künstler verkommen oder verkümmern lassen,
während es vor einem halben Jahrhundert niemanden: einfiel, darin etwas
anderes als den selbstverschuldeten Untergang eines ‚Gewerbetreibenden‘
zu erblicken. Und während man es in jener Zeit ganz in der Ordnung fand,
wenn der Staat einem siegreichen Feldherrn eine staatliche und stattliche
Dotation zuteil werden ließ, hätte man eine derartige Zuwendung an einen
Förderung von
Künstlern.