II. Polizei und Kulturpflege. B. Kulturpflege. 445
sten Stand‘. Schlimmeres als Grillparzer über Wagner, Wagner über Brahms,
Brahms über Bruckner, Kleist über Goethe gesagt hat, kann auch der ärgste
Banause nicht über die Lippen bringen. Indes, wie schon bemerkt, die
Genies werden durch keine Einrichtung der Welt je vor dem Schicksal be-
wahrt werden, „an das Rad der Gesellschaft geflochten‘‘ zu werden. Darum
werden wir uns hüten, den Künstlern die definitive Entscheidung über derlei
Fragen in die Hände zu geben. Nicht Souveränetät, sondern Selbstverwaltung
der Künstlerschaft verlangt unsere Zeit. Als Ratgeber werden die Künstler
in einem weit höheren Maße als bisher in der Kunstpflege die Bureaukratie
verdrängen müssen. Denn im ganzen ist doch nur die Künstlerschaft selbst
berufen und fähig, die lebensvollen Keime des Werdenden von den Verwesungs-
produkten des Absterbenden zu unterscheiden. Wer in der Kunst nicht selbst
schöpferisch tätig ist, der kann, mag seine Urteilsfähigkeit eine noch so voll-
kommene sein, mag er in welcher Stellung immer sich befinden, zwar hemmen,
wohl auch stören und zerstören, aber nicht das geringste zur Entwickelung der
Kunst beitragen. Die Kritik, wie wertvoll sie auch in manchen Beziehungen
sein mag, in der Geschichte der Kunst aller Zeiten ist sie ohne jede Bedeu-
tung, und das wird im 20. Jahrhundert nicht anders werden. Nur durch das
Medium der Kritik aber (und noch dazu meist nicht seiner eigenen) gelangt
der Staatsmann zu seiner Stellungnahme gegenüber der Kunst.
VI. Die Technik. Verwandt mit der Kunst und zum Teile mit ihr
zusammenfallend, ist die Technik, welche (im weitesten Sinn) die Form der
Güterproduktion ist. Während sich nach der älteren Staatsauffassung der
Staat um sie nicht bekümmert hat, beginnt zuerst Frankreich unter dem Ein-
fluß merkantilistischer Ideen die Technik teils in sorgfältigem Unterricht zu
pflegen, teils in eigenen staatlichen Betrieben, in denen unter anderen auch
die Herstellung der Kriegsmittel erfolgt, zu entwickeln. Seither ist man all-
gemein zu der Auffassung gelangt, daß in der Technik, abgesehen von ihrer
ökonomischen Bedeutung, ein wesentliches Stück unserer, wie jeder Kultur
gelegen ist. Die heute verbreitete sog. materialistische Geschichtsauffassung,
wie sie Karl Marx entwickelte, will ja sogar in ihr (nebst der Eigentumsver-
teilung) das eigentlich treibende Element der ganzen Kulturentwickelung er-
blicken. Sieht man auch von solchen Übertreibungen ab, so ist doch sicher,
daß der Technik heute eine viel größere Bedeutung als Kulturfaktor beigelegt
wird wie früher. Demgemäß ist auch die staatliche Pflege derselben durch
den technischen Unterricht eine viel intensivere geworden, wie sich dies ins-
besondere in dem Aufblühen der technischen Schulen und Museen, in der
Errichtung der technischen Hochschulen und ihrem Wettbewerb mit den
Universitäten zeigt. Wir übergehen indes diese Materie trotz ihrer Wichtig-
keit, weil sie im vierten Teile des vorliegenden Werkes speziell behandelt wird.
VIl. Das Bildungswesen. Sehr verwickelt ist die Stellung des
modernen Staates zur Wissenschaft und zum Bildungswesen. Sehen wir