Wissenschafts-
pflege.
Universitäten.
446 EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht,
zunächst auf die wissenschaftliche Forschung, so bemerken wir, daß über-
all das Prinzip ihrer ‚Freiheit‘‘ anerkannt ist. Doch nicht davon ist hier zu
sprechen (dies würde vielmehr in einer Darstellung des Straf- und Polizei-
rechtes zu geschehen haben), sondern von der Frage, ob und inwieweit der Staat
der wissenschaftlichen Forschung Pflege angedeihen läßt. Auch hier läßt sich
eine fortdauernde Steigerung der staatlichen Tätigkeit beobachten. Der Staat
fördert heute die Forschung in mannipgfaltiger Art, teils indem er gewisse, für ihn
selbst besonders bedeutsame Wissensgebiete durch seine eigenen Organe erforschen
läßt, teils indem er manche Unternehmungen in bisher ungeregelter Weise
von Fall zu Fall subventioniert, teils durch Erhaltung der gelehrten Biblio-
theken, Sammlungen, naturwissenschaftlichen Museen u.a., teils durch Unter-
stützung oder Angliederungen von freien Gelehrtenvereinen (Akademien), teils
endlich durch die Universitäten. Deren Geschichte im letzten Jahrhundert
ist für sich ein Stück staatssozialistischer Entwickelung, da die Universi-
täten fast überall verstaatlicht wurden. Dieser Prozeß ist nicht überall in
gleichem Maße vollzogen worden. England hat ihn fast gar nicht mitgemacht,
in Frankreich ist er viel zu weit getrieben worden. In Deutschland hat man
sich von solchen Extremen ferngehalten und die Universitäten, wie sie hier
seit dem 14. Jahrhundert geschaffen wurden, erhalten und ihnen gewisse au-
tonome Rechte belassen. In der deutschen Universität wird seit Thomasius’
Auftreten in Halle die wissenschaftliche Forschung mit der Lehre verbunden.
Während nun in den Staaten englischer Rasse keineswegs alle wissenschaft-
lichen Forscher den Universitäten angehören (Mill, Darwin, Spencer, Huxley
u.a.) ist dies letztere auf dem Kontinente geradezu die Regel. Dieses System,
soviel glänzende Erfolge es aufzuweisen hat, brachte doch in Verbindung mit
der Verstaatlichung auch Nachteile mit sich. Der Unterrichtsbetrieb nimmt
so viel Zeit und Kraft weg, daß gewisse Forschungsgebiete darunter sehr leiden.
So ist man neuerdings selbst in Deutschland dazu übergegangen, Forschungs-
institute, besonders naturwissenschaftlicher Art zu schaffen, welche mit dem
Unterricht nichts mehr zu tun haben. Sodann bringt die zu weit getriebene
Verbindung der Forschung mit der Lehre den starken Nachteil mit sich, daß
in gewissen politisch wichtigen Disziplinen (theologische, historische, philo-
sophische, juristische, ökonomische) der Einfluß der Regierungen die Freiheit
der Wissenschaft in bedenklicher Weise zu bedrohen begonnen hat, und die
Zuspitzung der sozialen und religiösen Gegensätze haben diese Gefahr so sehr
verschärft, daß manchenorts geradezu von einer ‚Wissenschaft der herrschen-
den Klassen‘‘ gesprochen wird. Nicht ganz mit Unrecht. Dieser Umstand
hat einerseits zur Errichtung von freien, vom Staate losgelösten Universitäten
geführt, welche auf dem Kontinent teils sozialistischen, teils klerikalen Be-
strebungen dienen, andererseits Versuche einer Popularisierung der Wissen-
schaft (,Volksuniversitäten‘‘) hervorgebracht, deren Erfolge man zurzeit
nicht absehen kann. Dazu tritt, daß im 19. Jahrhundert eine Reihe neuer
Hochschulen, vor allem die technischen, ins Leben gerufen wurden, die mit
beitrugen, die althergebrachte Stellung der Universitäten aufs ernstlichste zu