Geltung und
Richtigkeit
eines Rechtes.
Stoff des
gesellschaft-
lichen Lebens.
28 RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft.
stellen, ist nur erforderlich, daß ein besonderes Wollen nach dem Begriffe des
Rechtes bestimmt ist; davon verschieden ist die Frage — wir werden ihr weiter
unten genauer nachgehen —, ob jenes gesetzte Recht auch im Sinne der Idee
des Rechtes geleitet ist. M
Es läßt sich also jedes gesetzte Recht nach zwei verschiedenen Gesichts-
punkten einteilen. Das eine Mal zerfällt es in geltendes und nicht gelten-
des Recht, nach einer anderen Weise der Betrachtung können wir richtiges
und unrichtiges Recht unterscheiden. Die beiden Einteilungsgründe haben
an und für sich nichts miteinander zu tun. Die Frage nach der Geltung eines
Rechtes kann nicht aus der Eigenart seines Inhaltes beantwortet werden.
Es gibt auch inhaltlich schlechtes Recht, das doch rechtliche Geltung
besitzt. Wer den Inhalt eines bestimmten Rechtes für unrichtig erklärt, sagt
damit nicht, daß dieses Recht nicht gelte; und falls jemand einem mangel-
haften Rechtszustand das gegenüberstellt, was in dieser besonderen Lage
grundsätzlich richtig sein würde, so ist noch keineswegs behauptet, daß dieses
als richtig Eingesehene bereits in rechtlicher Geltung stände. — Diese Sätze
könnten selbstverständlich erscheinen und würden keiner Betonung bedürfen,
wenn nicht die Erfahrung lehrte, daß aus traditionellen Gründen her die beiden
verschiedenen Fragen, die wir zuletzt nannten — die nach der Geltung und
nach der Richtigkeit eines Rechtes —, von gar manchem Juristen noch
immer als sich deckend angenommen werden; was nicht zutrifft: Der methodi-
sche Beweisgang darüber, ob eine bestimmte rechtliche Entscheidung in be-
sonderer Lage die Eigenschaft der Richtigkeit besitze, hat mit der Frage, ob
diese Entscheidung von Parteien und Richter einzusetzen oder außer acht zu
lassen sei, noch gar nichts zu tun.
II. Recht und Wirtschaft. Wie ist das Verhältnis der rechtlichen
Regelung zum sozialen Leben der Menschen näher zu denken? Wie verhält sich,
kurz ausgedrückt, das Recht zur sozialen Wirtschaft?
Wir knüpfen hierbei an den Begriff der Gesellschaft an. Dieser ergab
sich als Vorstellung des Zusammenwirkens, in dem sich das wirkliche Tun
und die es zusammenfassende Regelung stets unterscheiden lassen (C. 2). Nun
haben wir im früheren drei verschiedene Arten äußerer Regelung kennen ge-
lernt und das soziale Wollen in das konventionale, rechtliche und willkürliche
zerteilt. Demnächst (C. 5) wird sich zeigen lassn, daß bei dem Problem der
Begründung des Rechtszwanges die rechtliche Art der sozialen Regelung an
und für sich den grundsätzlichen Vorzug verdient. Es sei darum gestattet,
schon jetzt als Form der Gesellschaft das Recht repräsentativ hier zu nennen.
Ihm ist nun die Wirtschaft als die soziale Materie gegenüberzustellen.
Als solcher Stoff des gesellschaftlichen Lebens dürfen nicht die uns um-
gebende Natur und die natürlichen Lebensbedingungen des Menschen gelten.
Denn Naturgesetze können durch menschlichen Eingriff überhaupt nicht be-
einflußt werden; und ihre Benutzung für besondere Zwecke ist Sache der Tech-
nologie, die an und für sich mit dem sozialen Leben noch nichts zu tun hat,