462 EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht.
Ausblick auf die Jjern sie bestehen neben einander. Man sinnt also bereits auf Abhilfe. Vielfach
Zukunft.
wird wieder der alte „gemischte Betrieb‘‘ empfohlen, der in den mannigfaltigsten
Kombinationen möglich ist, aber viele der alten Übelstände des Kapitalismus
wiederbringen würde. Ja, manche wollen sogar ein Wiedererwachen des Libe-
ralismus in neuer, klügerer und geläuterter Form (sog. „Neo-Liberalismus‘‘)
beobachten, Sei dem, wie immer, jedenfalls sind auch der Ausdehnung der
öffentlichen Betriebe feste Grenzen gesetzt und daher wird auch das 20. Jahr-
hundert ebensowenig, wie irgendein anderes, das goldene Zeitalter bringen und
den Himmel auf Erden herabtauen sehen, es wird das Elend und das Unglück
nicht aus der Welt schaffen, Krieg und Kolonialgreuel nicht verschwinden
machen, Rassen- und Nationengegensätze nicht verwischen können, es wird
die Ungleichheit der Güter nicht beseitigen und daher das Recht des Arbeiters
auf den vollen Ertrag seiner Arbeit nicht verwirklichen.
Aber gewiß wird die gewaltige im 19. Jahrhundert begonnene Verbesse-
rung der Mängel unserer Zivilisation im 20. Jahrhundert fortschreiten. Daß
dieser Gesundungsprozeß nur möglich ist mit Hilfe der Kulturpflege des
Staates, diese Überzeugung muß sich einer unbefangenen Betrachtung des
letzten Jahrhunderts. gebieterisch aufdrängen. Blicken wir auf dieses Jahr-
hundert zurück, so sehen wir, daß an der Schwelle desselben die damaligen
großen Philosophen Englands, Frankreichs, Deutschlands den Staat zur
Kulturpflege für unfähig erklärten, ihn nur zur Sicherung der Menschenrechte,
als einen Notbehelf dulden wollten, der sich selbst überflüssig zu machen die
Aufgabehabe, nach dessen Verschwinden der Mensch erst, wie Fichte gesagt hat,
der wahre Mensch sein werde. Betrachten wir, wie noch vor wenigen Dezennien
nicht nur die Anarchisten, sondern auch Marx, Engels, Bebel und die anderen
Väter der Sozialdemokratie dem Staat als kulturwidrig einen baldigen Uhnter-
gang und seine Ersetzung durch eine ‚‚freie Gesellschaft‘‘ vorhersagten, so
müssen wir zugeben, daß die Entwickelung der Dinge im letzten halben Jahr-
hundert alle diese Prophezeihungen kläglich zuschanden gemacht hat. Nur
mit Hilfe der Kulturpflege des Staates kann und wird sich die zivilisierte Mensch-
heit im 20. Jahrhundert, im Besitze der geistigen und sittlichen Kraft ver-
bleibend, die sie der antiken Kultur verdankt, jenem uns ebenso unerreichbaren
als unverlierbaren christlichen Humanitätsideal annähern, welches den
Bereich der europäischen Kultur so sehr von der Kultur des Judentums, des
Islam und der übrigen asiatischen Kulturkreise unterscheidet. Jenem Ideal,
das uns in jedem Menschen ohne Ausnahme den gleichen Wert und die gleiche
Würde erkennen und ehren heißt.