Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

466 EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht. 
dem gleichen Grunde hat er auch 1673 seine Berufung an die Heidelberger Universität 
abgelehnt. Im Westen Europas sind die besagten Übelstände allerdings in neuerer Zeit 
geringer geworden, bis die soziale Bewegung sie wieder etwas verschärfte. Wie war 
es aber noch in Deutschland vor einem Jahrhundert, als man Kant verbot, über religiöse 
Fragen zu lehren! Will man die hier besprochene Gefahr in ihrer ganzen Tragweite 
begreifen, so besehe man sich die Zustände im russischen Universitätsleben. Vgl. Fürst 
E. TRUBETZKOI, Die Universitätsfrage, in dem Sammelwerk Russen über Rußland, 
Frankfurt a. M. 1906. 
S.446, Z.40 Volksuniversitäten: Näheres darüber etwa im Artikel „Volksbildung“' 
des Handwörterbuches der Staatswissenschaften. 
S. 447, Z. 26 Begriff des „Gentleman“: Sehr lehrreich ist der Vergleich des eng- 
lischen Ideals des „Gentleman‘‘ mit dem romanischen des „Cortegiano‘‘, wie es in 
dem Buche „Libro del Cortegiano‘ des Grafen Baldassare Castiglione aus dem Jahre 1528 
(neueste Ausgabe Mailand 1890) enthalten ist. Über dieses siehe JACOB BURCKHARDT, 
Die Kultur der Renaissance II. 5. Über jenes gibt, allerdings nur nach ihrer geistig- 
ethischen Seite hin, eine berühmte Charakteristik NEWMAN in seinem Scope and Nature 
of University Education, neue Ausgabe 1903, S. 203ff. Die Literatur, insbesondere 
Romane wie die von DiICcKENS, THACKERAY u. a. und das Theater wirkten am stärksten 
dazu, dies Ideal in das Herz fast jedes Engländers zu pflanzen. 
5.450, Z.9 Ehemalige Furcht vor zu großer Bildung des Volkes: Am offensten 
hat dies wohl ausgesprochen RICHELIEU in seinem Testamente (1668): Les lettres ne 
doivent pas &tre indiff&eremment enseign&es & tout le monde. Le commerce des lettres 
remplirait la France de chicaneurs plus propres & ruiner les familles particulieres et & 
troubler le repos public qu’& procurer aucun bien aux Etats. ... Si les lettres &taient 
profanees A toutes sortes d’esprits, on verrait plus de gens capables de former des 
doutes que de les resoudre. C’est en cette consid&ration que les politiques veulent en un 
Etat bien regl&E plus de maitres des arts m&caniques que des mattres des arts liberaux 
pour enseigner les lettres. VOLTAIRE und selbst RoUSSEAU dachten übrigens nicht viel 
anders. Im „Emile“ heißt es: „Der Arme bedarf keines Unterrichts; die Belehrung, die 
sein Stand mit sich bringt, wird ihm notwendigerweise zuteil, eine andere kann er 
nicht brauchen.‘ 
5.450, Z.ı0 Gegenwärtige Besorgnis wegen zu geringer Bildung des Volk:s: Der 
prinzipielle Umschwung geht auf die Reformation zurück. In seiner Schrift An die Rats- 
herren deutscher Städte 1524, verlangte schon Luther die Errichtung städtischer öffent- 
licher Bibliotheken. 
S.450, Z.30 Volksbibliotheken: Vorangegangen ist England mit dem auf Betrei-ı 
ben William Ewarts im Jahre 1850 ergangenen Gesetz, welches Städte über 10000 (jetzt 
5000) Einwohner ermächtigte, eine besondere Steuer für Kommunale Volksbibliotheken 
zu erheben. Ungefähr gleichzeitig geschah ähnliches in den Neuenglandstaaten. Deutsch- 
land blieb weit zurück, nicht nur zeitlich, sondern auch deshalb, weil weder Staat 
noch Kommunen sich der Sache annahmen. Vgl. EDUARD REYER, Handbuch des Volks- 
bildungswesens. Stuttgart 1896; derselbe, Entwickelung und Organisation der Volks- 
bibliotheken, Leipzig 1893; derselbe, Fortschritte der volkstümlichen Bibliotheken, 
Leipzig 1903. ERNST SCHULZE, Freiöffentliche Bibliotheken, Stettin 1900. Weitere 
Literatur im Artikel Volksbibliotheken im Handwörterbuch der Staatswissenschaften 
und der Note zu S. 437, Z. 13. 
S. 451, Z. 31 Kinematographen: Vgl. ERNST SCHULZE, Der Kinematograph als 
Volksbildungsmittel, Halle ı911. 
S. 451, Z. 34 Toynbeehalls: ARNOLD TOYNBEE (1852—1883) wollte den sozialen 
Gegensatz durch Anbahnung eines Verkehres der beiden Klassen miteinander mildern 
und wurde so der Vorläufer der University-Extension. Seine Anhänger gründeten nach 
seinem Tode in einem der ärgsten Proletarierviertel Londons, in Whitechapel, die erste 
„loynbee-Hall‘. S. WEBB, Socialism in England, London 1889, $. soff., v. SCHULZE-
	        
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