Der Papst.
Die Freiheit des
Meeres
Seepolizei.
486 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht.
sondern auch in der Ebenbürtigkeit aller souveränen, christlichen Regenten-
häuser zum Ausdruck kommt. Dagegen können abgedankte oder depossedierte
Monarchen auf die völkerrechtlichen Vorrechte souveräner Personen keinen
Anspruch erheben.
Auch die Souveränität des Papstes hätte an sich erlöschen müssen, seit-
dem der Kirchenstaat in seinem schließlichen Bestande durch Dekret vom
9. Oktober 1870 dem Königreich Italien einverleibt wurde, und der Römische
Stuhl damit aufhörte eine Territorialmacht zu sein. Indessen konnte bei
Säkularisierung des Kirchenstaats dem Papste die Rechtsstellung eines ent-
thronten Monarchen darum nicht gegeben werden, weil er Oberhaupt der
Römischen Kirche blieb. Den anderen Staaten durfte das Recht, den Verkehr
über die eigenen kirchlichen Angelegenheiten mit ihm fortzuführen, nicht ge-
schmälert werden. Daraus ergab sich für die italienische Regierung eine völker-
rechtliche Pflicht, die Freiheit und Unabhängigkeit des Römischen Stuhles an-
zuerkennen. Dieser Pflicht ist das junge Königreich nachgekommen durch Er-
laß eines Verfassungsgesetzes vom 13. Mai 1871, des sog. Garantiengesetzes,
durch welches dem Papste die Attribute persönlicher Souveränität, an welchen
auch seine Kirchenregierung und deren Apparat teilnimmt, beigelegt worden
sind. Freilich ist dieses Gesetz von der Kurie, als den Verzicht auf die welt-
liche Herrschaft involvierend, nicht anerkannt worden. Dagegen wurde es von
den Mächten, wenn auch nicht gewährleistet, so doch widerspruchslos hinge-
nommen. Sie legen den päpstlichen Gesandten nach wie vor die diplomatischen
Vorrechte bei.
III. Das internationale Verkehrsgebiet.
I. Das Weltmeer. Die physische Unmöglichkeit, die offene See zu
sperren, hat diese seit Entstehung eines Weltverkehrs zwar tatsächlich der
Schiffahrt aller seefahrenden Nationen eröffnet. Allein erst nach mühsamem
Kampfe ist auch die rechtliche Freiheit der Ozeane zu allgemeiner Anerkennung
gelangt. Heute bildet sie ein Hauptstück völkerrechtlicher Ordnung. Jeder Ver-
such, die Freiheit des Meeres durch Anmaßung von Herrschaftsrechten irgend-
welcher Art zu beschränken, gilt als Attentat wider das Völkerrecht. Nur frei-
lich erschöpft sich diese Freihiet nicht in dem Satze, daß das Meer von Rechts
wegen staatenlos ist. Vielmehr bildet es im Frieden wie im Kriege das gemein-
same Verkehrs- und Nutzungsgebiet aller Staaten. Keiner von ihnen kann
ohne seine Zustimmung davon ausgeschlossen werden; auch nicht der Binnen-
staat. Demnach wird Seeschiffahrt nur unter anerkannter Nationalflagge zu-
gelassen. Demnach sind die Staaten völkerrechtlich gebunden, für gesicherten
Bestand einer rechtlichen Ordnung auf den unter ihrer Flagge fahrenden Schiffen
landesrechtliche Fürsorge zu treffen.
Die Unerläßlichkeit, den Verkehr auf dem Weltmeere vor rechtswidrigen
Angriffen, Störungen, Mißbräuchen zu schützen, hat zu einem Systeme inter-
nationaler Seepolizei geführt. Zu deren Handhabung gelten die Kriegsschiffe
ohne weiteres als legitimiert. Zumal betrachten die Seemächte sich zur Re-