VI. Die Rechtsverhältnisse des Staatenverkehrs. 3. Zwangsmittel. 503
Rechtsverletzungen die Verpflichtung zu Schadensersatz durch besondere Fecst-
setzungen sanktioniert, IV. Haager Konvention vom 18. Oktober 1907 A. 3;
XII. Konvention A. 8. Londoner Seerechtsdeklaration von 1909 A. 51—54. 64.
Neben dem Recht auf Schadensersatz steht die Forderung von Genug- Genugtuung.
tuung. Sie gründet sich auf ein von dem verletzten Staat als ehrenkränkend
empfundenes Unrecht. Die Sühne kann durch mannigfache Regierungsakte
zu leisten sein, die von dem Grade der Verletzung abhängen und in das billige
Ermessen des Fordernden gestellt sind. Das äußerste ist die zeremonielle
Huldigung der satisfaktionspflichtigen Regierung vor der beleidigten Staats-
gewalt.
3. Zwangsmittel. Das Völkerrecht gibt dem in seinen vertrags-
mäßigen oder allgemeinen Rechten schuldhaft beeinträchtigten Staat für
schwerere Fälle die Befugnis, Schadensersatz und Genugtuung auch durch
Selbsthilfe sich zu verschaffen, ohne den Friedenszustand preiszugeben; voraus-
gesetzt, daß der diplomatische Weg sich hierfür als nicht gangbar erweist.
Dem dient der aus dem Recht des Mittelalters übernommene, freilich im Laufe
der Neuzeit unter weitgehende Beschränkungen gestellte Repressalienbrauch.
Es handelt sich hierbei um spezielle Gewaltakte, die von der Regierung gegen
einen fremden Staat als Vergeltung für eine zugefügte Rechtsverletzung verhängt
werden. Mittel, Art und Verfahren kann sehr verschieden ausfallen. Nur sollen
Repressalien.
Repressalien verhältnismäßig sein. Praktisch insbesondere ist die pfandweise Friedens-
Besetzung von Landstrichen, die Androhung und Vollziehung militärischen
Zwanges zu Lande und zu Wasser, die Pfandnahme der in Häfen liegenden
Seeschiffe des rechtsverletzenden Staates (Embargo). Daß auch eine Blockade
repressalienweise verhängt werden darf, ist nach den zahlreichen Präzedenz-
fällen nicht zu bezweifeln. Freilich hat sich der Rechtssatz, daß auch Schiffe
einer dritten, nicht einwilligenden Macht die Friedensblockade zu respektieren
haben, bis jetzt nicht durchzusetzen vermocht.
blockade.
Weiter als die Repressalien geht die Intervention. Sie ist ein zulässiges Intervention.
Zwangsmittel in dem Sinne, daß jede Regierung die Befugnis hat, die recht-
lichen Interessen ihres Landes und ihrer Angehörigen außerhalb der eigenen
Hoheitsgrenzen durch tatsächliche Machtentfaltung dann zu schützen, wenn
die durch die territorial zuständige Staatsgewalt völkerrechtlich zu leistende
Gewähr des Schutzes sich als unwirksam erweist. Ein typischer Fall war die
Kollektivintervention der Mächte in China 1900, veranlaßt durch die Ermordung
des deutschen Gesandten und die Unfähigkeit oder Abneigung der Landes-
regierung, den fremdenfeindlichen Aufstand zu unterdrücken. Die nach Durch-
führung der Militärexpedition gestellten Forderungen der Mächte (Kollektiv-
note vom 27. Dezember 1900) wurden von chinesischer Seite angenommen
und erfüllt (Schlußprotokoll vom 7. Dezember I90I, aufgenommen zwischen
den elf fremden und den chinesischen Bevollmächtigten).
Freilich zeigt die Erfahrung, daß bei Ausübung solcher militärischer
Maßnahmen, sobald die gebrauchte Gewalt erwidert wird, ein Übergang in