Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

VII. Die Organisation des amtlichen Staatenverkehrs. 3. Konferenzen u. Kongresse. SI 
bandes fungierenden allgemeinen Konferenzen außerordentlicher Bevollmäch- 
tigter (Plenipotentiäre, Delegierte). Sie pflegen, wenn sie schwebende politische 
Angelegenheiten von besonderer Wichtigkeit betreffen, oder wenn sie die leiten- 
den Minister selbst vereinigen, gar unter persönlicher Mitwirkung der Staats- 
oberhäupter stattfinden, als Kongresse bezeichnet zu werden. Ihr Ziel ist Herbei- 
führung einer Willenseinigung zwischen den Regierungen, gleichviel ob Ver- 
träge oder Vertragsentwürfe definitiv festgestellt, oder ob sofort wirksame 
Maßregeln beschlossen werden. Die Verhandlungen werden, nachdem über 
Gegenstände, Ort und die einzuladenden Regierungen vorhergehende Ver- 
ständigung stattgefunden hat, mündlich und direkt in Sessionen, herkömmlich 
unter dem Vorsitz derjenigen Macht, in deren Gebiet man zusammengetreten 
ist, geführt und in Protokollen niedergelegt; die mit Stimmeneinheit zu fassen- 
den Beschlüsse in besonderen Urkunden (Schlußprotokollen, Generalakten) 
rezessiert. Auf dem Aachener Kongreß haben die fünf Großmächte ihrer po- 
litischen Solidarität dadurch Ausdruck gegeben, daß sie durch Protokoll und 
Deklaration vom 15. November 1818 die Berufung von Kongressen als eine 
völkerrechtliche Institution in Aussicht nahmen, zur Erörterung teils von Inter- 
essen gesamteuropäischer Politik, teils der von anderen Regierungen gestellten 
Interventionsgesuche. Freilich ist die letztere Aufgabe mit der von der ameri- 
kanischen Union verkündeten Monroedoktrin (2. Dezember 1823) und mit der 
von Frankreich und Großbritannien 1830 für die Ordnung der belgischen Frage 
angenommenen Maxime der Nichtintervention unpraktisch geworden. 
Aber eine neue Epoche für die Organisation der Staatenwelt durch Berufung 
internationaler Konferenzen und zwar in der Absicht, den allgemeinen Friedens- 
zustand unter den Nationen durch vertragsmäßige Aufrichtung völkerrechtlicher 
Normen nach Möglichkeit zu befestigen und durch Rechtsschutzanstalten zu 
sichern, ist mit dem Ende des 19. Jahrhunderts angebrochen. Die auf Anregung 
der russischen Regierung am 18. Mai 1899 in Haag zusammengetretene, von 26 
Staaten beschickte Konferenz hatte sich das Programm gestellt, die Mittel auf- 
zusuchen, welche geeignet wären, die drückenden Militärlasten zu mindern, die 
Kriege nach Mögichkeit zu verhindern und die Schrecknisse des Krieges zu 
mildern. Sie gestaltete sich durch die von ihr beratenen und beschlossenen 
Konventionen und Deklarationen zu einer wahren Völkerrechtskonferenz, für 
welche der populäre Name der Friedenskonferenz geprägt und offiziell geworden 
ist. Zugleich nahm sie die Berufung einer zweiten Konferenz in Aussicht mit 
der Aufgabe, jene Festsetzungen zu revidieren, zu ergänzen und ihren Kreis 
zu erweitern. Diese zweite Friedenskonferenz hat dann unter Teilnahme fast 
aller Glieder der Völkerrechtsgemeinschaft in Haag vom 15. Juni bis 18. Ok- 
tober 1907 getagt. Ihr glänzendes Ergebnis war die Fertigstellung von vierzehn, in 
der Schlußakte vom 18. Oktober 1907 nummerweise aufgezählten Vereinbarun- 
gen, von welchen jede einzelne, nach vollzogener Ratifikation bestimmt ist, 
eine besondere Rechtsgemeinschaft zwischen den beitretenden Mächten zu bilden. 
Unter den Ergebnissen der beiden Friedenskonferenzen ist von überragender 
Bedeutung der ‚in Anerkennung der Solidarität, welche die Glieder der Ge-
	        
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