Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Das Kriegsziel. 
Causa belli. 
Das Kriegarecht. 
512 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht. 
meinschaft der zivilisierten Nationen verbindet‘, für die Organisation der 
Schiedsgerichtsbarkeit geschaffene Staatenverein, dessen bereits mehrfach ge- 
dacht worden ist. 
VIII. Der Krieg und sein Recht. 
I. Allgemeiner Charakter. Krieg im Sinne des Völkerrechts ist 
der zwischen Staaten zum Schutze verletzter oder gefährdeter Interessen mit 
militärischer Gewalt geführte Streit. Ein solcher ist rechtlich zulässig. Im Unter- 
schied von dem Repressalienverfahren setzt der Krieg Gegenseitigkeit voraus; 
also auf der einen Seite, der des Angreifers, den zu tatsächlichem Ausdruck ge- 
brachten Entschluß, unter Einsetzung der eigenen Existenz mit Feindselig- 
keiten gegen den Gegner vorzugehen, auf der anderen Seite, der des Angegriffenen, 
den gleichartigen Entschluß, solchen unter voller Entfaltung militärischer 
Kraft Widerstand entgegenzusetzen. Damit ist der Kriegszustand eingetreten. 
Er ıst ein Verhältnis von Staat zu Staat. Mit der militärischen Offensive und 
Defensive fällt die völkerrechtliche Parteistellung des Angreifers und des An- 
gegriffenen nicht zusammen. 
Der Kricg unterbricht den Friedenszustand unter den kämpfenden Mächten; 
aber nur um für diesen eine neue Grundlage zu gewinnen. Er ist hiernach 
lediglich Mittel. Sein einziger Zweck auf beiden Seiten ist die Genugtuung 
durch Überwindung des Gegners. Sie schließt drei Punkte in sich: einmal die 
Ausgleichung für das verletzte oder bedrohte Interesse; in welchem Maße dies 
gelingt, hängt ab von dem Erfolge des Krieges. Sodann handelt es sich um die 
Kriegskostenentschädigung. Endlich kommt in Frage die Sicherung für die 
Zukunft. Eine Abwägung und Abgrenzung der politischen Interessen, die ge- 
rechterweise im Kriege zum Austrag gebracht werden dürfen, läßt sich nicht 
vornehmen. Es kann das Interesse darauf gerichtet sein, für gebrochenes Recht 
Sühne zu nehmen und Schadenersatz sicherzustellen, wofür freilich der Krieg, 
wie bereits bemerkt, ein wenig geeignetes Verfahren darstellt. Allein Grund 
und Anlaß des Krieges entziehen sich überhaupt juristischer Bestimmbarkeit. 
Auch der ungerechte Krieg begründet einen Kriegszustand. Nur fordert das 
geltende Völkerrecht, daß der Staat lediglich aus zwingenden Gründen in den 
Kriegszustand eintrete; und daß er lediglich als äußerstes Mittel dazu greife. 
Das ist heutzutage die justa causa belli. Die Frage, ob sie im Einzelfall gegeben 
sei und kein anderer Weg übrig bleibe, hat jeder Staat mit sich auszumachen. 
Einen Richterspruch darüber könnte er nicht akzeptieren, ohne seine Selbst- 
bestimmung preiszugeben und damit tatsächlich auf seine Staatsnatur zu ver- 
zichten. Als eine handgreifliche Verkennung der realen Verhältnisse erscheint 
die vielgehörte Behauptung, daß jeder Angriffskrieg schon an sich ungerecht 
sei; daß der Krieg nur um strittig gewordene Ansprüche aus Rechtsverletzungen 
geführt werden dürfe; daß er sich als ein Rechtsmittel in der Form der Selbst 
hilfe darstelle; daß er als ein Prozeßverhältnis der streitenden Teile aufzu 
fassen sei. 
Der Ordnung des allgemeinen internationalen Rechtes bleiben die Staaten
	        
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