Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

VIII. Der Krieg u.s. Recht. 4. Die Kriegsführung u. ihreMittel im Land-u. Seekriege. 319 
Erlaß vom 24. Juli 1870) ins Auge gefaßten eventuellen Einstellung von schnell- 
fahrenden Schiffen der Handelsmarine in den militärischen Dienst als Hilfs- 
-kreuzer, welche eine energische Aktion gegen feindliche Handelsschiffe und 
- Kontrolle neutraler Frachtfahrt auch ohne Kaper ermöglicht, der Vergangen- 
‚heit angehören. Eine solche Einstellung, die also auch im Seekriege den regu- 
lären Streitkräften irreguläre zur Seite treten läßt, setzt aber, wie nunmehr 
eine besondere auf der II. Haager Friedenskonferenz von 1907 getroffene Ver- 
einbarung beschlossen hat, die formelle, äußerlich erkennbar gemachte Ein- 
reihung des Kauffahrers in die Kriegsmarine voraus, HC. VII. Die große Frage, 
ob unter diesen die Ernsthaftigkeit und die Wirklichkeit des Aktes gewähr- 
leistenden Voraussetzungen die Transformation während des Krieges auch auf 
hoher See mit völkerrechtlicher Wirksamkeit vorgenommen werden dürfe, ist 
noch auf der Londoner Seekriegsrechtskonferenz von 1909 eingehend ver- 
handelt, aber nicht zum Austrage gebracht worden. Zunächst hat also jeder 
betroffene Staat die Freiheit eigener Entschließung. Die Rechtsunsicherheit 
ist beklagenswert. Zu bemerken wäre, daß jede Regierung völkerrechtlich be- 
fugt ist, die Militärhoheit auch über ihre Schiffe auf See geltend zu machen. 
Das Argument, das englischerseits für die Unzulässigkeit der Maßregel ins 
Feld geführt wird, nämlich das Recht (?) der Neutralen und die internationale 
Courtoisie, dürfte nicht durchschlagend sein. 
4. Die Kriegsführung und ihre Mittel im Land- und See- 
kriege. Kriegsziel ist die Entwaffnung des Feindes. Legitimes Kriegsmittel 
ist hiernach alles, was dazu dient, die Macht des feindlichen Staates zu schwächen. 
Illegal ist jede zwecklose, d. h. nicht durch militärische Notwendigkeit gebotene 
'Gewalttat. Eine solche dient nicht der Erreichung des Kriegsziels, sondern er- 
schwert dieselbe. Die Kriegsparteien haben kein unbeschränktes Recht in der 
Wahl der Mittel zur Schädigung des Eeindes, so sagt die LKO. A. 22. Indem 
‚sie im übrigen auf die unter den gesitteten Völkern feststehenden Gebräuche 
auf die Gesetze der Menschlichkeit, auf die Forderungen des öffentlichen Ge- 
‚wissens verweist, bringt sie ein spezielles Verzeichnis verbotener Kriegsmittel. 
Die HC. Nr. IV, der die LKO. beigefügt ist, stellt diese Bestimmungen unter 
die schwerwiegende Sanktion, daß die Verletzung derselben die verantwortliche 
Kriegsmacht gegebenen Falles (s. o. S. 503) zum Schadensersatz verpflichte. 
‘Die Verbote gelten zunächst dem Landkriege. Aber sie sind, soweit nicht für 
den .Seekrieg ein Sonderrecht besteht, von allgemeiner Anwendbarkeit. 
I. Das gegenwärtige Kriegsrecht verpönt folgende Hostilitäten: I. die Illegale Hostili 
Verwendung von Gift, von vergifteten Waffen, LKO. A. 23a; den Gebrauch von 
Waffen und Geschossen, die geeignet sind, unnötig Leiden zu verursachen, 
ibid. A. 23e. Spezielle Verbote sind getroffen von der bereits erwähnten Peters- 
burger Deklaration vom 11. Dezember 1868, sowie von den durch die zweite 
Friedenskonferenz von 1907 unberührt gebliebenen Deklarationen II und III 
ihrer Vorgängerin vom 29. Juli 1899. . Diese untersagen die Verwendung solcher 
Geschosse, deren einziger Zweck ist, erstickende oder giftige Gase zu verbreiten,
	        
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