Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Kriegsschiffe in 
neutralen Häfen. 
528 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht. 
sonen in einen neutralen Hafen evakuiert, so sind sie im Zweifel zu inter- 
nieren, A. 15. 
II. Eine große Schwierigkeit bietet die gast- oder asylweise Duldung von 
Kriegsschiffen der Belligerenten in neutralen Gewässern. Darüber besteht 
freilich kein Zweifel, daß ihnen — nebst ihren etwaigen Prisen — gegenüber 
keine völkerrechtliche Verbindlichkeit besteht, den bloßen Transit durch das 
neutrale Küstenmeer grundsätzlich zu versagen, wie HC XIII A. ı0. II aus- 
drücklich anerkennt. Aber nach überkommenem Recht befinden sich in der 
nämlichen Freiheit, zu gewähren oder zu verbieten, die neutralen Mächte auch 
gegenüber den innerhalb ihrer Häfen, Reeden, Küstengewässer den Aufenthalt 
begehrenden Kriegsschiffen beider Parteien, sofern nur Parität beobachtet 
wird. In diesen Rechtszustand haben indessen die Seekriege des 19. Jahr- 
hunderts, seit dem amerikanischen Sezessionskriege von 1861/65, eine bedroh- 
liche Unsicherheit gebracht. Es war die englische Regierung, die damals, als 
neutrale Macht, für das eigene Land eine Reihe von neuen Neutralitäts- 
maximen aufstellte (Instruktionen vom 31. Januar 1862; wiederholt im russisch- 
japanischen Kriege als: Rules for the observance of neutrality vom 10. Februar 
und 8. August 1904, verschärft in der Proklamation des Gouverneurs von Malta 
vom 12. August 1904), welche nur zu sehr geeignet waren, den Aktionsradius 
auf der Fahrt befindlicher Kriegsschiffe in empfindlichster Weise zu kürzen. 
Hiernach sollte insbesondere den auf der Fahrt befindlichen Kriegsschiffen 
beider Parteien grundsätzlich nur ein 24stündiger Aufenthalt gewährt werden 
und die Einnahme von Proviant und von Kohlen zwar zu gestatten sein, aber 
“ für die letztere nur im Umfange des Bedarfs bis zu dem nächsten feindlichen 
Hafen und nur je einmal in 3 Monaten. Auch andere Länder schlugen die 
nämliche Bahn ein; Japan als kriegführende Macht im Kriege von 1904/S. 
Daß nun aber solchen Restriktionen keine völkerrechtliche Autorität zukommt, 
ist gewiß. Die neuen Theorien haben bei Frankreich und bei Rußland den 
entschiedensten Widerstand gefunden. Auch läßt es sich nicht leugnen, daß 
ihre strikte Durchführung, zumal bei entferntem Kriegstheater und bei vor- 
handenem Mangel an auswärtigen Kohlenstationen, tatsächlich eine greifbare 
Unterstützung einer der beiden kämpfenden Parteien zuungunsten der anderen 
bedeuten könnte. Den erwünschten Ausgleich der entgegengesetzten Stand- 
punkte hat die zweite Haager Friedenskonferenz von 1907 gebracht. Die der 
heiklen Frage in HC XIII A. 12—25 gewidmeten spezialisierenden Regeln 
sind ein chef d’emvre de conciliation (Dupuis). Charakteristisch für sie ist, daß 
man, um zu festen, allgemein anerkannten, die Verantwortlichkeit der Neu- 
tralen entlastenden, möglichst leicht zu praktizierenden Sätzen zu gelangen, 
zwar dem restriktiven System der Engländer und Japaner weitgehende Kon- 
zessionen gemacht hat; daß aber den vereinbarten Normen zum großen Teil 
nur eine subsidiäre Geltung beigelegt worden ist: den neutralen Mächten wird 
die Freiheit zuerkannt, von ihnen abzugehen; nur müssen sie dann durch 
landesrechtliche Bestimmungen ihr Verhalten gesetzlich festlegen, A. 12. 13. 
15. 19 al.2; auch diese Bestimmungen im Laufe des Krieges grundsätzlich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.