System des Zivilprozeßrechts. X. Besondere Prozeßarten. 227
Ist der Schuldner zu einer Handlung verurteilt, bei der der Vollstreckungs-
apparat versagt, so bleibt nur die Klage auf das Interesse übrig.
X. Besondere Prozeßarten. Besondere Prozeßarten sind diejenigen Besondere
Arten des Rechtsschutzverfahrens, in denen die allgemeinen Vorschriften durch
besondere Vorschriften modifiziert sind. Diese besonderen Vorschriften sind
im Eheprozeß, im Kindschaftsprozeß und im Entmündigungsverfahren veran-
laßt durch die Eigenart des Streitgegenstandes. Die Besonderheiten desUrkunden-
und Wechselprozesses, des Mahnverfahrens sowie des Verfahrens bei Arrest und
einstweiliger Verfügung tragen dem Bedürfnisse der Beschleunigung Rechnung.
Die Besonderheiten des am stärksten von dem ordentlichen Verfahren abweichen-
den Konkursprozesses beruhen darauf, daß im Konkurs eine gemeinschaftliche
Vollstreckung für alle Gläubiger in das ganze Vermögen des Schuldners statt-
findet, wodurch eine Verteilung des Vermögens nach Verhältnis der Forderungen
und also auch verhältnismäßige Verteilung des Verlustes herbeigeführt wird.
Die Besonderheiten des Eheprozesses gelten in den Streitigkeiten, Eheprozeß.
welche die Scheidung, die Nichtigkeit oder die Anfechtung einer Ehe, die Fest-
stellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe unter den Parteien oder
die Herstellung des ehelichen Lebens zum Gegenstande haben. Die Besonder-
heiten des Kindschaftsprozesses gelten in Streitigkeiten über das Eltern- Kindschafts-
und Kindesverhältnis und über die elterliche Gewalt zwischen den Parteien.
Das Entmündigungsverfahren betrifft die Entmündigung wegen Geistes- Entmündigungs-
krankheit, Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht. Das Verfahren
beginnt mit einem amtsgerichtlichen Offizialverfahren. Der Entmündigungs-
beschluß und der Beschluß, durch welchen die Wiederaufhebung der Entmün-
digung abgelehnt wird, können durch Klage beim Landgericht angefochten
werden. Weil im Eheprozeß, im Kindschaftsprozeß und im Entmündigungsver-
fahren der Streitgegenstand der Verfügung der Parteien entzogen ist, ist in diesen
Prozessen die Verhandlungsmaxime zugunsten der Offizialmaxime modifiziert;
aus demselben Grunde wird zu diesen Prozessen der Staatsanwalt als Vertreter
des öffentlichen Interesses herangezogen.
Den Urkundenprozeß kann der Kläger wählen, wenn sein Anspruch Urkunden-
die Leistung einer Geldsumme oder einer Quantität vertretbarer Sachen betrifft
und die Entstehung des Anspruchs durch Urkunden bewiesen werden kann.
Die Besonderheit besteht darin, daß der Beklagte auf Einwendungen beschränkt
ist, die er durch Urkunden oder Eideszuschiebung beweisen kann. Wegen dieser
Beschränkung der Verteidigung kann in diesem Prozesse der Beklagte, welcher
den Anspruch bestreitet, nicht endgültig, sondern nur mit Vorbehalt seiner
Rechte verurteilt werden. Auf Grund des Vorbehalts kann der Beklagte den
Rechtsstreit im ordentlichen Prozesse fortsetzen. Der Wechselprozeß ist eine
Unterart des Urkundenprozesses; er ist zulässig für Ansprüche aus Wechseln
im Sinne der Wechselordnung.
Das Mahnverfahren bezweckt, dem Gläubiger, welchem ein Anspruch Mahnverfahren.
auf Leistung von Geld oder vertretbaren Sachen zusteht, auf möglichst kurzem
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Wechselprozeß.