Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

VIII. Der Krieg und sein Recht. 6. Das Recht der Neutralen zur See. 531 
wendung, daß auf der See zwar alle Güter des Feindes, niemals aber das 
neutrale Eigentum kriegerischer Wegnahme unterliegen. Er hat einen be- 
rühmten Ausdruck gefunden in dem unter dem Namen des Consulat der See 
bekannten spanischen Rechtsbuch aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, 
welches in den Mittelmeerländern zu großem Einfluß gelangte. Hier heißt es 
(ed. Pardessus Collection II, c. 231), daß neutrale Schiffe, die feindliche Waren 
führen, aufgebracht werden können, aber nach deren Entladung frei sind und 
der Schiffer die volle Fracht bis zum Bestimmungshafen erhält; desgleichen, 
daß die neutrale Ware, die sich auf dem feindlichen, also eine gute Prise bil- 
denden Schiffe befindet, an die Eigentümer unter deren Verpflichtung zur 
Frachtzahlung herauszugeben ist. Ein Unterschied nach der Beschaffenheit 
der Ladung wird nicht gemacht. Von Blockaden ist keine Rede. 
Danach galt also die Doppelregel: Frei Schiff, unfrei Gut; unfrei Schiff, 
frei Gut. Sie empfahl sich durch ihre logische Einfachheit. Das Naturrecht 
stimmte ihr bei, und der zweite Satz ist heutiges Völkerrecht. Ursprünglich 
freilich setzte sie, einer Staatenwelt angehörend, in welcher ein gewisses mari- 
times Gleichgewicht bestand, einen sehr primitiven Handelsbetrieb voraus. 
Als im 16. Jahrhundert der Welthandel zum Seehandel wurde und an die Stelle 
des Eigenhandels der Kommissions- und Speditionshandel trat, erwies sie sich 
als ein unzureichender Schutz für die neutrale Frachtfahrt; und vollends see- 
mächtigen Staaten erschien sie für ihre Kriegführung als unzureichend. Eine 
allgemeine völkerrechtliche Anerkennung hat sie nie erhalten. Nur die Eng- 
länder haben an der Maxime, das feindliche Gut überall zu nehmen, wo es 
sich finde, also auch von neutralem Bord, unter Berufung auf das Consulat, 
bis auf die Neuzeit im Prinzip stets festgehalten. 
Dagegen in den nördlichen Meeren war es die Hansa der deutschen Städte, 
die im Mittelalter eine Großmachtstellung einnahm, waren es ihre Erben, die 
skandinavischen Reiche, welche, sobald sie kriegführende Teile waren, zu- 
ungunsten der Neutralen Schiff! und Ladung miteinander zu verknüpfen 
pflegten. Und übereinstimmend stellten die französischen Seerechtsordonanzen 
(1542, 1584 und am krassesten die Ordonnance de la marine von 1681, IIlga. 7) 
immer wieder die dem Consulat entgegengesetzte Doppelregel auf, daß feind- 
liches Gut auf einem neutralen Schiffe mit der übrigen Ladung auch das Schiff 
selbst konfiskabel mache; und daß die neutrale Ladung auf dem feindlichen 
Schiffe mit diesem selbst verfallen sei. Dem Vorgange folgte das bourbonisch 
gewordene Spanien. Hiernach ist das Schiff entweder im ganzen frei oder im 
ganzen verfallen: Unfrei Gut, unfrei Schiff; unfrei Schiff, unfrei Gut. La robe 
d’ennemi confisque celle d’ami. Seehandel für feindliche Rechnung ist un- 
erlaubt. Feindliche Schiffe dürfen überhaupt keinen Seehandel treiben und 
feindliches Gut darf, auch in Kabotage nicht, verfrachtet werben. 
Indessen durch konventionelles Recht setzte Frankreich dieses harte 
Kriegsrecht in weiten Umfange außer Kraft. Als in der zweiten Hälfte des 
17. Jahrhunderts das englische Volk nach kurzem entscheidenden Kampfe die 
politische und wirtschaftliche Weltstellung der Holländer gebrochen, als es 
34” 
Unfrei Gut, 
unfrei Schiff. 
Frei Schiff, 
frei Gut.
	        
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