Die Kriegs
konterbande.
532 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht.
durch seine Navigationsakte und durch die Schöpfung einer stehenden Kriegs-
flotte den Grund für seine Meeresherrschaft gelegt hatte, in der es nur noch
Frankreich als Rivalen fand, war es das planmäßige Bestreben der in die
zweite Reihe zurückgedrängten Seestaaten, ihrer umfangreich und gewinn-
bringend gewordenen Frachtfahrt die möglichste Sicherheit im Seekriege zu
erwirken. Sie verschafften sich dieselbe durch den Abschluß von Verträgen,
welche reziprok für den Fall, daß der eine der Kontrahenten in Kriegszustand
trete, dem anderen die Befugnis stipulierten, auch feindliche Ware zu ver-
schiffen. Damit erlangte zum erstenmal die Freiheit der neutralen Flagge,
das Palladium des heutigen Seerechts, einen freilich nur schwachen und
schwankenden Boden. Sie war lediglich partikular zersplittertes, vertrags-
mäßiges, also der Kündigung unterworfenes und als Preis für Gegenleistungen
gedachtes Recht. Immerhin ging in eine große Zahl der von Frankreich und
selbst von England und der nach diesem Vorgang auch von anderen Mächten
geschlossenen Handelstraktate, zumal in die zu Utrecht am Iı. April 1713
aufgerichteten, die Klausel über, # naves liberae liberlatem quoque mercibus
vindicent. Also: Frei Schiff, frei Gut; le pavillon couvre la marchandise;
womit dann freilich, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, regelmäßig die
zweite Regel verbunden wurde: Unfrei Schiff, unfrei Gut. Nicht das Eigen-
tum an dem Frachtgut, sondern die Nationalität des Schiffes sollte über sein
Schicksal und das der Ladung entscheiden.
‚Aber wie eng oder wie weit in diesem Wirrsal entgegengesetzter Systeme
und ihrer Kombinationen das Recht neutraler Schiffahrt auch bemessen war:
einen Punkt gab es, in dem sie zusammentrafen. Jenes Recht konnte niemals
zugunsten eines als Unterstützung des Kriegsfeindes sich qualifizierenden
Transportes angerufen werden. Ein solcher galt, wie die aus der italienischen
Rechtsprache seit dem 17. Jahrhundert in den allgemeinen Gebrauch über-
nommene Terminologie lautete, als Konterbande. Er verfiel mit dem Schiffe
selbst, das sich dadurch tatsächlich zu einem feindlichen gemacht hatte, der
Wegnahme durch die in ihrem Kriegsrecht geschädigte Partei. Der Satz wurde
als.jus gentium commune anerkannt, auf ratio und usus zurückgeführt. Und
zwar dachte man bei dem dehnbaren Ausdruck zunächst nur an Waffen und
Kriegsgerät. Immerhin nahmen die Kriegführenden in jedem Kriegsfall die
Befugnis in Anspruch, selbständig durch ihre Edikte die Linie zu ziehen, jen-
seits deren neutrale Waren frei passieren könnten. Die Distinktionen, welche
die naturrechtliche Theorie zu ziehen begann, wurden kaum beachtet, so daß
der Umfang dessen, was als Konterbande zu gelten hätte, ‚pro ratione belli
wechselte. Aber auch in diesem Punkte gelang es den Verträgen der merkan-
tilistischen Periode, gegen allzuweite Ausdehnung des Begriffes Vorsorge zu
treffen. Sie schlugen das Verfahren ein, dessen mögliche Erstreckung auf bloß
mittelbare Kriegsbedürfnisse durch spezialisierende Aufzählung der ein für
allemal unter das Verbot fallenden Artikel zu verhüten. Die Listen fielen frei-
lich_ verschieden aus. Indessen hat dann nach dem Vorbilde des spanisch-
niederländischen Marinevertrages vom 17. Dezember 1650 eine große Anzahl