VIII. Der Krieg und sein Recht. 7. Der neutrale Seeverkehr im geltenden Recht. 543
den Gegenstand wiederaufnehmend, gelangte sie zu einem erfreulichen Abschluß.
Ausgangspunkt desselben bildete die von den Großmächten des europäischen
Kontinents, Frankreich, Deutschland, Rußland in Übereinstimmung mit den
Vereinigten Staaten von Amerika abgegebene Erklärung, daß sie auf das her-
gebrachte für nachdrückliche Kriegführung unentbehrliche Recht, sowohl ab-
solute als auch relative Konterbande aufzubringen und in beiden Fällen als
Rechtsfolge die Konfiskation eintreten zu lassen, nicht verzichten würden.
Die Kriegsmaßregel könne weder durch Expropriation, noch durch Vorkaufsrecht,
noch gar durch bloße Sequestration ersetzt werden. Die auf dieser Grundlage
erzielte Verständigung hat in A. 22—24 der Londoner Seekriegsrechtsdekla-
ration vom 26. Februar 1909 ihren Ausdruck gefunden. Auch hier sind die
vereinbarten Festsetzungen das Werk eines Kompromisses zwischen den wider-
streitenden Interessen der Kriegführenden und der Neutralen. Von beiden
Standpunkten aus sind sie hinterdrein hart angefochten worden; zumal die
relative Konterbande und ihre Behandlung hat Anstoß erregt. Die Rati-
fikation steht, wie bereits bemerkt, noch aus. Aber der gewaltige Fortschritt,
den diese von den Seemächten als annehmbar erklärte Reglementierung des
Konterbanderechts durch ihre Übersichtlichkeit, ihre Verständlichkeit, vor
allem durch ihre vom internationalen Prisenhof zu verbürgende Einheitlichkeit
und Gemeingültigkeit dem neutralen Seeverkehr darbietet, gegenüber der
Regellosigkeit und Unsicherheit des bestehenden Zustandes, der effektiv alles
auf den Machtstandpunkt stellt, sollte nicht verkannt werden.
Die neue Ordnung schließt sich an bestehende Prinzipien und Verfahrungs-
weisen der Einzelstaaten, die aber in ihrer systematischen Ausgestaltung und
vertragsmäßigen Festlegung eine veränderte Gestalt angenommen haben.
Grundlcgend ist die Unterscheidung von solchen Gegenständen, die ihrer Natur
nach ausschließlich für den Krieg verwendet werden, und von solchen, welche
für kriegerische und für friedliche Zwecke verwendbar sind. Jene ersteren
unterliegen der Beschlagnahme, wenn ihre Bestimmung das feindliche Gebiet
oder die Streitmacht des Feindes ist, gleichviel ob sie direkt oder erst nach
Umladung dorthin gelangen sollen; es gilt „‚continuous voyage‘‘, LD A. 30.
Die letzteren sind Konterbande nur dann, wenn sie für den Gebrauch der
Streitmacht oder der Verwaltungsstellen des Gegners bestimmt sind. Aber
sollen die Güter in einem dort intermödiaire neutre ausgeladen werden, so ist
die Beschlagnahme unzulässig, dann gilt also ‚‚continuous voyage‘ nicht,
LD A. 35 al.ı — eine der wichtigsten und wohltätigsten Bestimmungen der
Deklaration. Sie zessiert nur dann, wenn der Belligerent Binnenstaat ist, A. 36.
Der juristische Gegensatz von absoluter und konditioneller Konterbande wird,
behufs gesicherter Anwendung, unter Befolgung des alten Herkommens frucht-
bar gemacht durch Aufstellung nummerreicher Listen. Diese zählen die Gegen-
stände auf, welche, ein für allemal, de plein drost, unter jede der beiden
Kategorien fallen, sofern nicht darauf verzichtet ist, A. 26. Aber auch einem
dritten, in tatsächlicher Geltung stehenden Gebrauch wird Rechnung getragen
und jeder der kriegführenden Parteien die Befugnis zuerkannt, über jene