E. Die Idee des Rechtes. I. Begriff des Rechtes und Idee des Rechtes. 37
her die bedingenden Rechtsbegriffe gebildet würden; aber auch nicht umge-
kehrt. Vielmehr sind alle geschichtlichen Rechtsinhalte zusammengesetzt; sie
bergen in sich bereits die reinen Begriffe, durch die sie selbst in ihrer Eigenart
bestimmt sind. Die juristische ‚‚Begriffsbildung‘‘ ist nur, wie eben schon er-
wähnt, das kritische Auflösen der uns gegebenen Gedankenverbindung.
Die technische Jurisprudenz vermag hierbei überall nur das Ziel einer ge-
treuen Wiedergabe von bedingtem rechtlichem Wollen zu haben. Sie hat
ausschließlich den eigenen Beruf, in allen Besonderheiten die Möglichkeit ein-
heitlicher Auffassung zu zeigen. Dagegen ist es nicht zulässig, aus solcher Klar-
stellung her einen Schluß auf die innere Richtigkeit des also klar gestellten
Rechtsinhaltes zu tun. Dies fällt einer anderen Weise der juristischen Arbeit
anheim.
E. Die Idee des Rechtes.
I. Begriff des Rechtes und Idee des Rechtes. Der Begriff des
Rechtes und die Idee des Rechtes sind genau zu unterscheiden.
Der Begriff des Rechtes ist eine Teilvorstellung. Er grenzt eine Klasse
des menschlichen Wollens von anderen ab. Das geschieht nach dem Merkmale
des unverletzbar selbstherrlichen Verbindens. Jeder Willensinhalt der Men-
schen läßt sich darauf untersuchen, ob er nach jenem Merkmale bestimmt ist;
ist das der Fall, so entspricht er vollständig dem Rechtsbegriffe. Die Zahl und
Weise des rechtlichen Wollens läßt sich in ihren unermeßlichen Besonderheiten
nicht von vornherein angeben: aber das ist sicher, daß ein jedes von ihnen den
Artmerkmalen des Rechtsbegriffes ohne allen Rest genügt.
Die Idee des Rechtes ist der Gedanke der unbedingten Harmonie aller
Rechtsinhalte. Es soll Widerspruch und Wirrwarr unter ihnen, die nach dem
Rechtsbegriffe schon bestimmt sind, vermieden werden. Der Rechtsbegriff
allein kann das nicht leisten; denn er grenzt nur eine Klasse des Wollens von
anderen ab. Nun aber kommt es darauf an, alle logisch bestimmten Willens-
inhalte nach den Gegenständen ihres Zielens wieder zu ordnen und unter ihnen
allen einen rechten Einklang herzustellen. Das ist nur möglich, wenn sie alle
gleichmäßig nach einem unbedingt einheitlichen Blickpunkte gerichtet werden.
Sie sollen in ihrer Allheit also umfaßt werden. Diese aber steht außerhalb
des wirklichen Erlebens. So kann ein einzelner Rechtsinhalt der Idee des
Rechtes niemals vollständig gemäß sein. Sie besteht ais eine Aufgabe, deren
Lösung in keinem besonderen Falle völlig glücken kann, und die doch als Auf-
gabe nie zu umgehen ist, — der Zug nach vollendeter Einheit unserer Gedanken
führt uns unwiderstehlich dazu.
Diese Unterscheidung von Begriff und Idee des Rechtes und die not-
wendige Einführung der letzteren folgt aus der Erwägung der Gesetzmäßigkeit
des menschlichen Wollens überhaupt.
Welches ist nun die Gesetzmäßigkeit der Zwecke, der auch das
rechtliche Wollen zu unterstellen ist? Die Antwort wird durch eine Eigen-
art des modernen Sprachgebrauches erschwert, der das Wort „Gesetzmäßig-
Gessternäßigkeit
des Wollens.