Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Gegenständliche 
Einheit im 
Rechte. 
Technisch ge- 
formte Rechts- 
sätze 
Grundsätzliche 
Erwägung 
des Rechtes. 
552 RUDOLF STAMMLER: Die Zukunftsaufgaben des Rechtes und der Rechtswissenschaft. 
einstimmender Anschauung der Rechtsunterstellten erreicht. Wohl ist es ein 
erstrebenswertes Ziel, das Recht volkstümlich zu machen; allein dieses 
bildet den Abschluß des hier nötigen Vorgehens, und nicht dessen kritische 
Unterlage. Wenn man nichts weiter weiß, als daß gewisse Auffassungen 
über bestimmte Rechtsfragen „volkstümlich‘‘ sind und etwa der Mehrheit 
der Volksgenossen innewohnen, so ist über die innere wissenschaftliche Be- 
rechtigung solcher Meinungen noch gar nichts Bedeutsames angegeben. Zu- 
erst kommt es darauf an, den Inhalt eines Rechtes objektiv richtig einzu- 
sehen und auszugestalten, und dann ist erst das also sachlich begründete und 
wissenschaftlich gerechtfertigte Recht möglichst vielen in gleicher Art inner- 
lich zu übermitteln. 
Nehmen wir sonach die Aufgabe einer gegenständlichen Einheit im 
Rechte auf, so ist eine solche ebensowohl im Inneren des rechtlichen Gebietes, 
wie in seinem Verhältnis zu den sonstigen Äußerungen des menschlichen Wollens 
herzustellen. Das erte nimmt das Recht für sich und will unter seinem einheit- 
lichen Begriffe und seinen Kategorien alle besonderen Ausstrahlungen von 
rechtlichem Wollen nach gleichbleibender Methode erfassen, das zweite will 
dieses also umschriebene und beherrschte Gebiet in das Ganze menschlicher 
Zwecksetzung harmonisch einfügen. Es ist dieser Gedanke, den wir nach dem 
eingangs Bemerkten als Grundlage zum Aufbau unserer dermaligen Zukunfts- 
aufgaben des Rechtes und der Rechtswissenschaft zu beobachten haben. Zur 
besonderen Ausführung müssen wir uns auf einige elementare Daten besinnen. 
Der besondere Inhalt einer bestimmten Rechtsordnung bietet sich zu- 
nächst in technisch geformten Sätzen der Recht schaffenden Gewalt dar. 
Es sind die fest gefügten Paragraphen unserer Gesetzbücher, die oft starren 
Anordnungen der staatlichen Instanzen, die verhärteten Normen einer gewohn- 
heitsrechtlichen Übung, die in erster Linie dem Blicke des Beschauers sich 
stellen. Als Niederschlag geschichtlicher Rechtserfahrung unternehmen sie es, 
einer kommenden juristischen Frage im voraus mit einem allgemein bereit 
gestellten, schon ausgearbeiteten Obersatz zu begegnen. Sie werden dabei inner- 
lich von dem Gedanken getragen, daß sie mit ihrer bereits geformten Bestim- 
mung das für künftige Fälle durchschnittlich Richtige anordnen. 
Aber diese fest gefügten Regeln, Artikel und Gebräuche vermögen doch 
niemals das All der hier möglichen Erwägungen zu füllen. Immer wird es 
demnächst Fragen geben, für welche jene überhaupt keine Antwort bieten, 
stets mag sich der Zweifel einstellen, ob eine von ihnen erteilte Auskunft denn 
auch wirklich so sein sollte, ob nicht vielleicht ein anderer Obersatz, als der des 
ein für allemal festgelegten Gesetzestextes den gegenständlichen Vorzug ver- 
diente. 
So hat es jeder Jurist neben seinen Paragraphen ständig noch mit einem 
Zweiten zu tun. Nicht selten wird er darauf zurückgeworfen, weil die tech- 
nisch geformten Sätze über eine besondere Frage überhaupt nichts geben; oft 
genug verweist der staatliche Gesetzgeber selbst darauf, wie dieses in den häufi- 
gen Vorschriften geschieht, nach „Billigkeit‘‘ oder nach „Treu und Glauben“,
	        
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