Römische
Rechts
geschichte.
558 RUDOLF STAMMLER: Die Zukunftsaufgaben des Rechtes und der Rechtswissenschaft.
lich, daß der bloße Erfolg als solcher hier nicht entscheidet. Um von dem
Wollen und Tun der Vergangenheit eine begründete Lehre ziehen zu können,
muß man erst wissen, ob damals es auch wirklich richtig und gut zugegangen
ist, und diese kritische Erwägung fußt wiederum auf einer formalen Methode
des Richtens und Bestimmens, nach welcher der geschichtlich gelieferte Stoff
bearbeitet sein will. — Man hat oft und viel über die Bedeutung der römischen
Juristen für unsere Zeit geschrieben und gestritten. Allein es sollte auch hier
klar sein, daß jede dahingehende Erörterung nur die Bestimmung eines kon-
kreten Tatbestandes — der vorliegenden Schriften der klassischen Juris-
prudenz — nach einer abstrakten formalen Art ist, die als allgemein be-
gründete Methode des juristischen Denkens und Urteilens dabei logisch voraus-
gesetzt, wenngleich nicht immer in klarer Bewußtheit schon dargelegt ist. — Und
so muß jeder Ausblick in die Vergangenheit, jedes Hervorholen eines rechts-
geschichtlichen Stoffes sich in den Gesamtentwurf einer systematischen
Grundidee einfügen, sofern jene Wert haben sollen. Ja selbst, wer auf das Ganze
der Kulturgeschichte der Menschheit eingehen, wer die Frage nach dem mög-
lichen Fortschritt in der sozialen Entwicklung aufwerfen will, der bedarf
zur Ausführung und Lösung der Leitung durch ein einheitliches Prinzip, als
unbedingter und reiner Methode systematischen Sinnes und Wertes.
Das Ergebnis dieser Betrachtungen für die Zukunftsaufgaben der Rechts-
geschichte geht zunächst dahin, daß für die geschichtliche Rechtsforschung eine
eigene und selbständige, wahrhaft grundsätzliche Aufgabe nicht besteht,
sondern daß sie ein dienendes Mittel innerhalb eines einheitlichen Ge-
samtplanes der Rechtsbetrachtung ist. In der Literatur wird sie zumeist in
dieser abstrakten Weise nicht erwogen. Statt dessen finden sich mehr konkrete
Erörterungen über den Wert der römischen, teilweise auch der deutschen Rechts-
geschichte. Über das erstgenannte Thema ist nachgerade eine kleine Bibliothek
entstanden, und bis in die neueste Zeit treten sehr verschiedene Meinungen auf,
die sowohl das seither Geleistete, als auch die weiteren Aufgaben betreffen.
Erst kürzlich sind von italienischen und anderen ausländischen Juristen über-
schwenglich erhebende Abschätzungen der römischen Rechtsgeschichte laut
geworden (gesammelt und herausgegeben von Leonhard, 1906), wogegen vor
nicht langem Ihering (,‚Scherz und Ernst in der Jurisprudenz‘' 1885) sich ganz
entgegengesetzt geäußert hat. Während bei den ersten von der ‚ewigen‘ Be-
deutung des römischen Rechtsgeschichte gesprochen und für sie ein Register
bedeutsamer Hoffnungen und Aufgaben aufgestellt wird, sagt der zuletzt ge-
nannte Schriftsteller von der gegenwärtigen romanistischen Literatur, daß die
Ausbeute kaum der Mühe und Arbeit lohne, weniges Heu mit vielem Unkraut
vermischt, eine dürftige Ernte, die durch den erschöpften Boden des römi-
schen Rechtes selber verschuldet sei, über deren Wert sich nur die täuschen,
welche selber die Arbeit daran setzen und ein natürliches Interesse haben,
dieselbe hochzuhalten. ‚Wäre ich noch jung‘‘, so schließt am Abend seines
Lebens der gefeierte Romanist trübe, „ich würde ein anderes Fach er-
wählen.‘