E. Die Idee des Rechtes. V. Die Grundsätze des richtigen Rechtes. 49
als ein derartiges gesetztes Recht bestimmt werden muß, das in dieser beson-
deren Lage der allgemeinen Aufgabe eines jeden Rechtes gemäß ist, und
sich die Lehre von dem richtigen Rechte überhaupt nicht an den Einzelnen
als solchen, sondern an das rechtlich verbindende Wollen wendet.
In gar manchem Falle wird es sich nun leicht zeigen lassen, ob ein be-
stimmtes soziales Wollen nach dem idealen Grundgedanken der reinen Gemein-
schaft geleitet ist, oder ob ihm durch einseitiges Begehren von der einen Seite Der gemeinsame
widerstritten wird. In dem berühmten Prozesse des Müllers Arnold unter “nr .m da
Friedrich dem Großen handelte es sich namentlich um die Frage: ob der Nach-
bar eines Müllers auf dem Gute, das oberhalb der Mühle gelegen war, ohne
weiteres Fischteiche so anlegen und aus dem Mühlenbache bewässern dürfe,
daß die Mühle nun nicht mehr das nötige Wasser zum ordentlichen Betriebe
regelmäßig erhält? Der beklagte Nachbar bejahte dies unbedingt: ‚‚Da er sich
bloß seines Rechtes bedient, so kümmere es ihn nicht, wenn etwa dem Kläger
das Wasser entzogen sein sollte‘‘, das ergäbe ‚‚der gesunde Menschenverstand‘,
sonst würde ‚die größte Ungerechtigkeit begangen und ihm sein offenbares
Eigentum geraubt‘‘. Damit drang er bei Gericht durch. Es ist jedoch bekannt,
wie der König durch schroffen Akt der Kabinettsjustiz gegenteilig eingriff. Er
verspürte wohl, daß diese grenzenlose Rücksichtslosigkeit im Widerspruch mit
dem Gemeinschaftsgedanken stehen würde, ohne freilich sich dieses systema-
tisch klar machen und seine Ansicht methodisch begründen zu können. —
In ähnlicher Weise ringt sich heute mehr instinktiv ein bald verwerfendes bald
billigendes Urteil über Kartelle, Ringe, Trusts durch. Im römischen Rechte
der Kaiserzeit scharf bekämpft (C. IV, 59) finden solche Vereinigungen jetzt
bei objektiven Beurteilern in bester Absicht doch ganz verschiedene Aufnahme.
Wir können nun angeben, weshalb dies unvermeidlich ist. Unbedingt allge-
meingültig steht bloß die formale Methode des kritischen Urteilens fest, nicht
etwa eine stofflich begrenzte Rechtseinrichtung und gewisse Abmachungen
bedingten Inhaltes. Es kann also nur darauf ankommen, ob ein einzelnes
Kartell in besonderer Lage noch im Sinne des Gemeinschaftsgedankens gelegen
ist oder nicht. Es hat solche gegeben, die gerade dazu bestimmt und tauglich
waren, den widersinnigen Gedanken eines innerhalb der rechtlichen Gesell-
schaft zu führenden Kampfes um das Dasein möglichst abzuschwächen oder
zu vernichten, einer wilden und rücksichtslos ausbeutenden Konkurrenz Ein-
halt zu tun; und es haben sich andere gezeigt, die es nicht beachteten, daß ohne
den Spruch des Rechtes und seine verbindende Anordnung die einzelnen Ge-
sellschafter kein Eigentum und keine Vertragsrechte hätten, die sie nun beide,
bloß subjektiv wollend, einseitig ausnutzen möchten. So rufen sie zu gleicher
Zeit die Gemeinschaft an — und wollen sich ihrerseits doch nicht derartig ver-
halten, wie der ideale Gemeinschaftsgedanke es fordert.
Aber in den meisten Fällen, die zur Entscheidung nach grundsätzlich
richtiger Weise aufgegeben werden, mögen Zweifel und Bedenken über die
rechte Art und Weise der Betätigung des obersten Gedankens einer Gemein-
schaft frei wollender Menschen auftreten. Alsdann ist es nötig, die methodische
Kultur der Gegenwart. II. 8. 2. Aufl. 4