Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

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zuholen und in dem seitdem verflossenen Jahrzehnt haben wir es fast 
ums Doppelte überflügelt. 1912 erzeugte Oeutschland 17,6 Millionen 
Tonnen, Großbritannien mit Irland 9,0 Millionen Tonnen. So hat 
das endlich politisch geeinte Deutschland, früher Versäumtes nachholend, 
in rastloser und kluger Arbeit auf dem gesamten Gebict der Eisenindu- 
strie dic erste Stelle in Europa wiedergewonnen, wie einst in den Zeiten 
vor dem 30 jährigen Kriege. 
Oas ist aber von besonderer Bedeutung, weil im gewerblichen 
Schaffen der Menschheit in jüngster Zeit eine allgemeine Wandlung sich 
vollzogen hat. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat die Verarbei- 
tung pflanzlicher und tierischer Rohstoffe vorangestanden, und kein Land 
hatte eine moderne Großindustrie aufzuweisen, die an machtvoller und 
geschlossener Organisation der so vielfach vorbildlichen Baumwollindu- 
strie Lancashires hätte zur Seite gestellt werden können. Mit der Ent- 
wicklung des Transportwesens hat sich das zugunsten mineralischer Roh- 
stoffe verschoben. Unter dem Einfluß seines Eisenbahnwesens, dessen 
Schienenlänge die ganz Europas übertrifft, hat zuerst in den Vereinig- 
ten Staaten die Eisenindustrie den ersten Platz sich erobert, und unter 
dem Einfluß seiner weltbeherrschenden Seeschiffahrt hat mit dem Aber- 
gang vom Holzschiff zum Eisen= und Stahlschiff auch die Eisenindustrie 
Englands der älteren Textilindustrie ihren bisher die Jahrhunderte 
hindurch behaupteten Vorrang wenigstens zeitweise abgelaufen. Doch 
früher und stärker als in England, ist diese für unsere Zeit so charakte- 
ristische Wandlung in Deutschland hervorgetreten, obwohl der deutsche 
Bedarf an Eisenbahnschienen noch nicht ein ODrittel von dem der Ver- 
einigten Staaten, und obwohl der deutsche Schiffbau noch nicht ein 
Viertel des englischen erreicht hat. Trotz des Mangels dieser beider 
stärksten Stützen hat auch im gewerblichen Schaffen Deutschlands die 
Eisenindustric die erste Stelle sich errungen und, wenn sie auch hinter 
dem Sturmschritte der amerikanischen Industrie aus begreiflichen Grün- 
den zurückbleiben mußte, so hat sie doch England in schnellem Wachs- 
tum, wic wir sahen, überflügelt. In der Baumwollindustrie steht das 
Vereinigte Königreich auch noch heute so weit voran, daß seine Spindel- 
zahl (55971501) die der folgenden drei Länder — der Vereinigten 
Staaten (31519 766), Deutschland (11 A0A gA#) und Rußland (9 111 835) 
— Übertrifft; in der Eisenindustrie, in der es lange nicht minder ein un- 
erschütterliches Vorrecht zu haben glaubte, hat es das Zepter an die 
beiden Länder abgetreten, die, weniger belastet mit einer ruhmvollen in- 
dustriellen Bergangenheit, den neuen Aufgaben der Gegenwart ihre 
unverbrauchte Kraft ganz widmen konnten.
	        
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