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wein sowie von Waffen und Munition in den afrikanischen Kolonien
der europäischen Staaten auf Grund der Brüsseler Oeklaration zur
Kongoakte durch internationale Maßnahmen, Absperrungen und Pro-
hibitivzôölle zu erschweren und, wenn möglich, zu unterbinden. Aur durch
den Widerstand anderer enropäischer Kolonialstaaten ist es nicht ge-
lungen, dieses Ziel im vollen Maße zu erreichen. Aicht alle Staaten
konnten sich entschließen, den für ihre Industrie einträglichen Waffen-
und Munitionsschmuggel und den nicht minder gewinnreichen Handel
mit dem für die Eingeborenen Afrikas verderblichen Branntwein durch
internationale Regelung zu unterbinden. Obwohl der Gefahr des
Schmuggels aus Nachbarkolonien ausgesetzt, hat die deutsche Regierung
in ihren afrikanischen Kolonien gegen den Waffen= und Branntwein-
handel Maßnahmen getroffen, die über das hinausgehen, was andere
Kolonialstaaten zu tun bereit waren. Die Einfuhr von Branntwein für
die Eingeborenen z. B. ist in Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwest-
afrika und Samoa vollständig verboten, in Kamerun ist der Verbrauch
durch besonders hohe Zölle, Sperrzonen und sonstige Kontrollmaßnah=
men eingeschränkt, auch in Togo wurde trotz finanzieller Einbuße für
das an staatlichen Einnahmen arme Schutzgebiet die Einfuhr von
Branntwein wesentlich vermindert.
Wie die Handelsfreiheit mit Ausnahme der zuletzt erwähnten im
humanitären Interesse getroffenen Maßnahmen uneingeschränkt in der
deutschen kolonialen Wirtschaftspolitik zur Geltung kommt, so auch die
Gewerbefreiheit in Verbindung mit einer liberalen Industrie-
politik. Während in fremden Kolonien vielfach rücksichtslos dahin
gewirkt wird, Gewerbe und Industrien, die im Mutterlande blühen,
in den Kolonien nicht aufkommen zu lassen, finden sich in den deut-
schen Kolonien keinerlei derartige Maßnahmen; auch für Ausländer
herrscht vollkommene Gewerbe= und Miederlassungsfreiheit. In Deutsch-
Östafrika können mehrerc tausend Inder als englische Untertanen ihren
Gewerben ungehinderter nachgehen als selbst in einigen englischen Kolo-
nien, wie z. B. Südafrikas. Andererseits werden aber auch nicht, wie
3. B. in Australien und Kanada, mit künstlichen Mitteln, Prämien und
sonstigen Bergünstigungen Industrien emporgezüchtet, um den inter-
nationalen Handel zurückzudrängen. Solcher Mittel bedient sich die
deutsche koloniale Wirtschaftspolitik ebensowenig wie kolonialer Schutz-
zöllel
Oieser liberalen Gewerbe= und Industriepolitik entspricht auch der
Standpunkt der deutschen Regierung gegenüber der Investicrung
ausländischen Kapitals in ihren Schutzgebieten. Dem fremden Kapi-