Full text: Deutschland und der Weltkrieg.

  
A. Herkunft und Wesen der deutschen Institutionen 193 
nen Klassen, doch ein einheitlicher Geist mit vorherrschenden Gefühlen 
und Vorstellungen, es entstand ein sehr starkes Band des Zusammen- 
hanges, ein starker Korpsgeist, im Gegensatz zu den Klassen und Kreisen, 
die König und Beamtentum bekämpften, eine wachsende Hingabe an 
Fürst, Regiment und Staat. Die Beamten fühlten sich alle als eine 
ecclesia militans, als eine Reformpartei im Staatc gegenüber allen Lo- 
kal-, Sonder= und Klasseninteressen. Man begünstigte es, daß die 
Söhne der Beamten und Offiziere dem Berufe des Vaters folgten. 
Friedrich der Großc sprach mit Vorliebe davon, wic so die Söhne von 
Jugend auf in einer Atmosphärc der Ehre und des Gesamtinteresses 
aufwüchsen. — Oie Talente und Charaktere aus höherem und niederem 
Stande verwuchsen zu einem einheitlichen Beamtenstandc. Es war hier 
— wie einst in der römischen Kirche — für den untersten Tagelöhner 
und Bauernsohn möglich emporzusteigen: Minister solcher Herkunft 
saßen neben Grafen und Fürsten von 1640 bis 1850, wenn man auch für 
gewisse Stellen die Adligen bevorzugte oder die Bürgerlichen adeltc. 
Es sei nur an Rothers Laufbahn erinnert, der vom Regimentsschreiber 
bis zum Staatsminister 1806 bis 1848 emporstieg. 
Auch die Söhne und Enkel der egoistischsten, fürstenfeindlichsten Jun- 
ker erhielten im Staats= und Militärdienst eine andere Färbung der 
Gesinnung, wurden erfüllt von Staatsgedanken und von Staatsinter- 
essen. Dic neue Gemeinschaft, die sic umgab, in der sie wirkten, löste 
sic aus den alten Banden und ließ viele von ihnen kräftig mitarbeiten 
an einer antifeudalen, monarchisch gerichteten Banern--, Gewerbe= und 
Handelspolitik. Sie bekamen teil an den Aufklärungstendenzen Fricd- 
richs des Großen, an den Aützlichkeitsgedanken und an den Idcalen 
Friedrich Wilhelms llll. und seiner idealistischen Ratgeber. 
Und diese einheitliche geistige Atmosphäre in dem Beamtenstaat 
wurde verstärkt durch die gleiche wirtschaftliche Grundlage, auf die der 
ganze Beamten= und Offiziersstand mehr und mehr gestellt wurde. 
Die Inhaber von Amtern in Staaten von alterer Kultur waren mit 
Grundbesitz ausgestattete, meist erbliche Inhaber des Amtes, oder sie 
hatten jährliche Wahlämter innec, die sie nur als besitzende Aristokraten 
bekleiden konnten. Mit steigender Arbeitsteilung zeigten sich beide Arten 
von Amtsinhabern als unzurecichend, ja als schädlich; in beiden Fällen 
gehörte das Hauptinteresse des Inhabers nicht seinem Amt, sondern 
seinem Vermögensbesitz und dessen Bermehrung, seinen Familien= und 
Standesinteressen. Mit der Geldwirtschaft und steigenden Arbeitstei- 
lung wurde das lebenslängliche, ausschließlich von Amt und für das 
Amt lebende Berufsbeamtentum mit fester Besoldung, mit spezieller 
Deutschland und der Weltkrieg 13 
 
	        
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