350 Karl Hampe
ist hinfort auch unser Kampf, die flämische Sprache, die dem Welschen
bäuerisch und ungeschliffen erscheint, uns, zum mindesten dem an das
Platt gewöhnten Norddeutschen, klingt sie heimatlich vertraut, erfri-
schend in ihrer unabgegriffenen Bildlichkeit und Klangfarbe, ihrer aus
den Tiefen der Volksseele neuschöpfenden Kraft; sie verdient jeglichen
Rückhalt gegen fremde Aberflutung.
Die ältere Geschichte der belgischen Miederlande weiß wenig von
solchen Sprachkämpfen; gleichwohl hat die seltsame nordsüdliche Schei-
dung, dic romanische Gebiete östlich an die deutschen Rheinlande gren-
zen ließ und Germanen in den äußersten Westen warf, sicherlich dazu
beigetragen, eine völlige Aufsangung jener Volksteile durch Deutsch-
land und Frankreich zu hindern und den Landen früh eine gewisse
Eigenständigkeit zu sichern, die sie zu wertvoller kultureller Vermittlung
zwischen den beiden großen Nationen besonders befähigte. Diese Eigen-
ständigkeit war indessen bis zum Jahre 1830 hin niemals volle politische
Unabhängigkeit; niemals trotz ruhmvoller Kämpfe sind diese südlichen
Aiederländer, wie etwa die Holländer und Schweizer, imstande ge-
wesen, sich gegen eine Welt in Waffen auf die Dauer zu behaupten, ihre
Lage bot dazu nicht die Möglichkeit. Abhängigkeit, nicht Selbständig-
keit war die historische Form ihres Bestehens!
Als das zentrale Kernland im Weltreiche Karls des Großen durch
den Zwist seiner Enkel und die unselige Teilung von Verdun herab-
gesunken war zu dem schmalen und unorganischen lotharianischen Zwi-
schenreiche, das in raschem Verfall von dem östlichen oder westlichen
Nachbarn aufgezehrt werden mußte und eine OQuelle unendlicher Zwistig-
keiten bis zum heutigen Weltkriege für sie geworden ist, da konnten hier
die Versuche zur Erhaltung eines selbständigen Pufferstaates nicht von
Dauer sein. Sobald ODeutschland die innere Zerrissenheit überwand,
wirkte seine gefestete Macht auf die belgischen Riederlande, wie ein
starker Magnet auf lockere Eisenteile: seit 925 sind sie mit ganz
Lotharingien sicherer deutscher Besitz geworden. Die deutsche Reichs-
grenze umfaßte von nun ab den größten Teil des heutigen Belgiens,
sprang sogar im Süden mit dem Bistum Cambrai weit in französisches
Gebiet vor, folgte bis Gent der Schelde und lief von da, indem sie das
reingermanische Flandern westlich der Schelde Frankreich zuwies, nord-
wärts zur Küste. Die Reichsherrschaft ist hier ganz von den Geschicken
des deutschen Kaisertums abhängig gewesen. Solange jenes in voller
Blüte stand, ist auch sie kräftig gewahrt worden. Erst mit seinem Zer-
fall seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts begann auch hier die Reichs-
waltung zu zerbröckeln und sich in eine bloße Oberlehnsherrschaft zu