Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

im Wege des Verfassungsbruches erfolgt, dann ist kein Zweifel, 
daß das bisher in Geltung Gestandene auch weiter noch in Gel- 
tung steht. Und doch müßte man nach der zitierten JELLINEK- 
schen Formulierung die bisherige Verfassung als derogiert erachten. 
Und daß man JELLINEK eine solche Meinung unterschieben darf, 
ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus folgendem verräterischen 
Satze: „Ist demnach die Bildung öffentlieben Gewohnheitsrechtes 
auch außerhalb des klassischen Staates .. . nicht zu bezweifeln, 
so muß auch die Aufhebung bestehenden Gesetzesrechtes durch 
Gewohnbheitsrecht als möglich zugegeben werden‘®,. Die Ge- 
wohnheit, die Tradition ist das unifizierende Moment für die 
historisch-politische Betrachtung. Dem Gewohnheitsrecht als der 
lex non scripta derogierende Kraft zuschreiben, verrät, daß als 
das Gebiet der zu konstruierenden Rechtseinheit die historisch- 
politische Gegebenheit des Staates gedacht ist. Um diese ganze 
Gegebenheit als Ausfluß einer geschlossenen Rechtsordnung zu 
erfassen, ist die Annahme eines derogatorischen Gewohnheitsrechtes 
letzten Eindes unausweichlich. 
Desgleichen nimmt OTTO MAYER!® eine derogatorische Kraft 
legislativer Akte, welche verschiedenen Verfassungsperioden an- 
gehören, auch dann an — des wirklich Problematischen !? in dieser 
Annahme wird er sich gar nicht bewußt —, wenn die beiden 
Verfassungsperioden durch einen Verfassungsbruch voneinander 
getrennt sind. Stillschweigende Voraussetzung ist auch für eine 
Autorität wie OTTO MAYER bloß die eine — diese eine aber auch 
wieder zweifellos —, daß man sich bei der Konstruktion des 
durch derogierende Sätze modifizierten Rechtsgebäudes im Rahmen 
der historisch-politischen Gegebenheit eines Staates halte "®. 
  
15 Gesetz und Verordnung, S. 334. 
ıe Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1. Bd., 1914, S. 83 f. 
ı7 Eis wird ihm etwas anderes zum Problem, was im Grunde nicht 
problematisch ist; darüber später! 
ıs A. a. 0.S. 84. Mayer stellt a. a. O. S. 84, nachdem er sich vor- 
her mit der Praxis auseinandergesetzt hatte, welche gesetzgeberische Ein-