Full text: Sozialdemokratie, Christentum, Materialismus und der Krieg.

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auszuschließen braucht. Denselben Standpunkt haben auch die nam- 
haften beiden Philosophen der Reformationszeit, nämlich Bacon und 
Hobbes, vertreten. · 
Francis Bacon ist der erste Philosoph der neueren Zeit, der die 
Methode der philosophischen Forschung nur auf Objekte möglicher Er- 
fahrung angewandt wissen will. Nach ihm ist Wissen und Glauben 
scharf von einander zu trennen. Dabei gilt ihm der Sieg des Glaubens 
um so glänzender, je ungereimter ein göttliches Geheimnis ist. Nach 
Bacon soll das Wissen zur Erweiterung der Macht dienen, wobei es 
durch den Glauben nicht beeinträchtigt werden soll. 
Thomas Hobbes geht noch weiter. Nach ihm soll sich die Religion 
auf die Heilige Schrift stützen, die Philosophie aber auf die natürliche 
Vernunft. Von diesem Standpunkt aus kommt er nicht nur zu dop- 
pelten Wahrheiten über eine Sache, sondern philosophisch auch zu einer 
Art von Materialismus, für den es nur Phänomena gibt, denn die 
Empfindungen unserer Sinne haben nur objektive Bedeutung und sind 
nichts weiter als körperliche Bewegungen. 
Diesen Materialismus auf das Moralische und Politische aus- 
gedehnt, kommt Hobbes zu der Folgerung, daß das Prinzip der Ethik 
nur die Selbstsucht ist, und daß die Begriffe gut und schlecht nur relative 
Geltung haben. Da nach diesem Prinzip der Mensch von Natur nur 
auf die Wahrung seiner persönlichen Interessen bedacht ist, kann er 
selbst bei angeborener Friedensliebe nicht leben, ohne diejenigen anderer 
zu verletzen. Es ist deshalb der oberste Wille eines Monarchen not- 
wendig, dem sich alle zu unterwerfen haben, damit der Krieg aller gegen 
alle verhindert wird. 
Auf diese Weise bringt es Hobbes fertig, nicht nur die Monarchie, 
sondern sogar den politischen Absolutismus dieser mit seiner materiali- 
stischen Weltanschauung zu rechtfertigen. In diesem Sinne hat er auch 
die praktische Nutzanwendung seiner Lehre gezogen und ist ebenso wie 
Bacon ein getreuer Untertan und Verfechter des absolutistischen König- 
tums geworden, trotzdem sich dieses in ihrer Zeit nicht gerade von der 
besten Seite gezeigt hat. Immerhin ist es bezeichnend für die Eng- 
länder, daß sie im Gegensatz zu den Kontinentalen mit dem philosophi- 
schen Materialismus das Königtum zu halten und zu rechtfertigen ver- 
sucht haben, während sie es mit den Lehren des Christentums schroff 
und rücksichtslos bekämpften. Diese fundamentale Unterscheidung der 
Engländer von den Deutschen und Franzosen zeigt auch ganz besonders 
die Charakteristik ihres Heldentums. Es ist sicher kein Spiel des 
Zufalls, daß Cromwell Indepedent, Napoleon Katholik und Friedrich 
d. Gr. Philosoph war.