Full text: Sozialdemokratie, Christentum, Materialismus und der Krieg.

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Notwendigkeit vor, ohne Besinnen und Überlegung das Geld mit vollen 
Händen auszugeben, wie dieses im Anfang tatsächlich der Fall gewesen 
ist. Wenn das deutsche Volk Selbstvertrauen genug besitzt und dem 
Staate die notwendigen Mittel reichlich zur Verfügung stellt, so hat 
es damit sicher nicht die Absicht, eine reichliche Anzahl Millionäre zu 
züchten, sondern es will unter allen Umständen dafür eintreten, daß 
diejenigen, die draußen unter den größten Anstrengungen täglich ihr 
Leben einsetzen müssen, in jeder Weise nicht nur selbst sondern auch 
mit ihren Familien ausreichend versorgt sind. 
Man kann sich durchaus nicht vorstellen, daß der Staat unter 
allen Umständen gezwungen ist, für das dringend Notwendige jeden 
Preis zu zahlen, und es wird jeder verständlich und gerecht finden, 
daß die Behörde dort, wo bei den Lieferanten die Vaterlandsliebe für 
die größte Anspannung nicht hinreichend ist, mit einem gelinden Zwang 
und recht entschieden nachhilft. 
Jedenfalls haben die Behörden gezeigt, vorausgesetzt, daß sie als 
Diener der Allgemeinheit und nicht als Organe der kapitalistischen 
Produktion angesehen werden wollen, daß sie zu dem Idealismus des 
den Kapitalismus repräsentierenden Bürgertums in Stadt und Land 
kein großes Vertrauen haben. 
Von diesem Standpunkt kann es sich dann auch nur darum han- 
deln, daß man jenen Patrioten den in schwerer Zeit so leicht verdienten 
Mammon in der Form von Steuern nach Möglichkeit wieder abnimmt, 
zumal der Staat Aufgaben zu erfüllen hat, die an die Steuerkraft seiner 
zahlungsfähigen Angehörigen ohnedem in nächster Zeit die höchsten 
Anforderungen stellen. 
Derselbe Maßstab ist auch an die Verdienste zu legen, die durch 
die Teuerung im allgemeinen und diejenige der Nahrungemittel im 
besonderen erzielt sind. Auch hier konnte sich der Staat nicht auf den 
Idealismus der bemittelten Klassen verlassen, sondern er mußte eine 
gewisse Teuerung für notwendig ansehen, um die Leute als Konsumen- 
ten zur Sparsamkeit und als Produzenten zur Anpassung an die ge- 
gebenen Verhältnisse zu erziehen, da es unbedingt notwendig war, mit 
den vorhandenen und erreichbaren Produkten haushälterisch umzugehen. 
Bei solcher in gewissen Grenzen notwendigen Wirtschaft ist aber 
eine Besteuerung der Verdienste um so mehr gerechtfertigt, als der 
deutsche Krämergeist, der dem englischen nur in der Quantität nach- 
steht, in seiner Zügellofigkeit geradezu hochverräterisch gewirkt hat. Es 
muß als der Gipfel der Harmlosigkeit oder als Zeichen politischer Ver- 
blödung angesehen werden, wenn diese Leute das gewaltigste Völker- 
ringen, das je die Erde gesehen und das sich in seinen Folgen um nichts