Das deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 13.) 67
gegenwärtigen Stand, sei es durch direcle Ueberweisung verfügbarer Einnah-
men vom Reich, für heiuhen disponibel werdende Bekrag, in so weit über
denselben nicht mit Zustimmung der Kandesvertretung im Etat eine ander-
weitige Verfügung getroffen ist, jährlich unverkürzt zur Herabminderung
der Classen und classificirten Cberaimmnenbeur verwendet werde."
13. Februar. (Deutsches Reich.) Reichstag: wählt zu seinem
Präsidenten neuerdings v. Forckenbeck und zu feinem ersten Vice-
präsidenten neuerdings v. Stauffenberg.
Bei der Wahl des Präsidenten werden 232 Stimmzettel abgegeben;
davon sind 14 unbeschrieben. Von den abgegebenen 218 giltigen Stimmen
erhält v. Forckenbeck 151, v. Seydewitz (deutsch-conservativ) 67 Stimmen.
Forckenbeck nimmt die Wahl dankend an. Bei der Wahl des ersten Bice-
präsidenten erhalten von 244 Stimmen Stauffenberg 90, Seydewih 80,
Franckenstein (Centrum) 72. Somit wird zwischen allen Dreien eine engere
Wahl nothwendig, wobei Stauffenberg 90, Seydewitz 78, Franckenstein 75
Stimmen erhält. Es findet nunmehr eine engere Wahl zuischen Stauffen-
berg und Seydewih statt. Von 168 abgegebenen giltigen Stimmen erhält
Stausfenberg 88, Seydewitz 80 Stimmen. Somit itt. Stauffenberg zum
Vicepräsidenten gewählt, her die Wahl annimmt. Die Wahl des zweiten
Vicepräsidenten wird verta
Die Wahl des Pragtiuns im Reichstag ergibt also, verglichen mit
der Wahl vom 11. September v. Is., bei dem ersten Zusammentrilt nach
den Neuwahlen, wenigstens bezüglich des Präsidenten und des ersten Bire-
präsidenten dasselbe Resultat. Aber charakteristisch für die wolitiche Lage
ist der Unterschied in der Zufammcnsehung der Majoritäten. Am 11. Sep-
tember haben für Hru. v. Forckenbeck als Präsidenten des Hauses die
Deutschconservativen gestimmt, während das Centrum einen eigenen Candi-
daten aufstellte Jetzt stimmt das Centrum, bis auf eine kleine Minderheit,
für Hrn. v. Forckenbeck mit den Nationalliberalen, der Fortschrittsparlei und
der deulschen Neichspartei, während die Deutschronservaiven die Stelle des
am 11. September dissentirenden Cenlrums einnehmen. Mit anderen Worten:
die conservative Parkei hat sich völlig losgelöst von dem Vertrauensvotum
für Hrn. v. Forckenbeck und mit ihren 67 Stimmen den Anspruch auf ge-
sonderte Vertretung erhoben. Bei der Wahl des ersten Vicepräsidenten
stimmen, wie im September, die Literalen (90 Stimmen) für Stauffenberg,
die conservativen Fractionen (80) für Seydewih, das Centrum (74) für
Fenkensten bdas Resullat ist aber günstiger für die C Conservativen, insofern
r. v. wiß die zweitgrößte Mehrheit erhält, während im September
thr. v. rnssde die zweite Stelle eingenommen hatte. Nachdem auch
der Pwpeite Wahl gang eine absolute Mehrheit nicht ergeben — Stauffenberg 90,
Seydewiß 78, Frankenstein 75 Stimmen — kommt diesesmal nicht der Can-
didat des Centr ims, sondern derjenige der Conservativen in die engere Wahl.
Frhr. v. Stauffenberg erhält 88, v. Seydewitz 80 Stimmen. Das Centrum
stimmt gar nicht oder mit (52) weißen Zetleln. Charakteristisch für die dieß-
malige Wahl ist das Hervortreten der Coniervatiuen, welche aber heute sicht
die Marrstthunm beim Centrum finden, welche sie im September v. J. den
Candidaten des letzteren gewährt hatten. Damals war eben der M Nlecch
mit Rom in Aussicht, der die conservativen Partei dem Centrum günstig stimmte.
Heute, wo alle diese Illusionen verflogen sind, ist das Centrum wieder in
seine alte Stellung zurückgekehrt. Die Liberalen meinen, daß diese Schwenk-
ung nicht bedeutungslos sei für die Haltung des Centrums der Wirthschafts-
politik des Fürsten Bismark gelerüber und hoffen, daß die Zolpolinit des Reichs-
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